Atlas Maior

Atlas von Joan Blaeu, veröffentlicht ab 1662
(Weitergeleitet von Blaeu-Atlas)

Der Atlas Blaeu, später Atlas Maior genannt (lat., „Großer Atlas“), wurde von Willem Janszoon Blaeu herausgegeben, jedoch von seinem Sohn, dem Amsterdamer Verleger Joan Blaeu, 1662 bis 1665 zusammengestellt. Er ist einer der wichtigsten Atlanten des 17. Jahrhunderts. Der Atlas Maior war das teuerste und umfangreichste Buch, das im 17. Jahrhundert veröffentlicht wurde. Er blieb über 100 Jahre der verbindliche Weltatlas.

Titelblatt, 1645

Angelehnt an den Titel Theatrum orbis terrarum des Atlas von Abraham Ortelius (Erstausgabe 1570), erschien dieser „neue Atlas“ 1635 unter dem Titel Theatrum orbis terrarum, sive, Atlas novus als lateinische Ausgabe in zwei Bänden. Weitere zweibändige Ausgaben erschienen auf Deutsch, Niederländisch und Französisch. 1645 erschien das Werk in vier Bänden.

Beschreibung

Mit jeder Ausgabe wurden immer mehr neue Karten und immer umfangreichere Beschreibungen in den Atlas aufgenommen. Wie in der Kartografie des 16. und 17. Jahrhunderts üblich, wurden in mehrbändige Atlanten auch Karten aus privaten Atlanten anderer Autoren integriert, sie wurden aus älteren Druckwerken entnommen (teilweise wurden dazu die alten Originalkupferplatten verwendet) oder von vorhandenen Karten abkopiert, auch wurde in den verschiedenen Regionen um Kartenmaterial nachgefragt. So wurde in die Ausgabe von 1654 eine Reihe von Karten von Schottland aufgenommen, die vom schottischen Kartographen Timothy Pont stammten, und 1655 wurde von Joan Blaeu der Novus Atlas Sinensis des Jesuiten Martino Martini als separater Einzelband ohne weitere Bearbeitung in seinen Atlas Maior aufgenommen.

1662 umfasste der Atlas bereits elf Bände sowie einen Seeatlas und war ab diesem Zeitpunkt auch als Atlas Maior bekannt. Er umfasste 594 Karten, welche die damals bekannte Welt der frühen Neuzeit zeigten, mit allen zu jener Zeit bekannten Ländern, Landkarten und astronomischen Beobachtungen.

Je nachdem, in welcher Sprache der Atlas herausgegeben wurde, umfasste er neun bis elf Bände. Er wurde in Schwarz-Weiß gedruckt, und die einzelnen Blätter wurden ungebunden verkauft. Je nach Wunsch des Kunden wurde dieser zu seiner Zeit äußerst teure Atlas vollendet, die Blätter nach Kundenwunsch mit unterschiedlichem Aufwand handkoloriert und gebunden, teilweise in Pergamenteinband und mit Goldverzierung. Auf Wunsch wurde auch ein passender Bücherschrank dazu geliefert. Dieses sehr teure kartographische Meisterwerk des Barock konnten sich nur sehr wohlhabende Menschen leisten. Es wurde auch als Staatsgeschenk bestellt.

Obwohl Joan Blaeu, zu seiner Zeit einer der führenden niederländischen Kartografen und Verleger, der offizielle Kartograf der Niederländischen Ostindien-Kompanie war, wie auch sein Vater Willem Blaeu, durfte er nicht deren geheimes Kartenmaterial und Wissen für seinen Atlas verwenden. So war er gezwungen, den Atlas aus allen damals zur Verfügung stehenden zugänglichen Karten und Berichten zu kompilieren. Dabei unterzog er diese einer gründlichen Quellenkritik. Neben dem eigentlichen Kartenwerk umfasst der Atlas auch insgesamt 3000 Seiten mit lateinischem Text zur landeskundlichen Beschreibung der einzelnen Länder. Wegen der wiederholten Verwendung der Lettern wurden die Seiten für jede Neuauflage neu gesetzt.

Jede Karte war mit einer reich verzierten Kartusche und mit detailliert dargestellten allegorischen Figuren gezeichnet. Die meisten Karten sind eingenordet, jedoch nicht alle, was für die damalige Zeit nicht ungewöhnlich war. Auch wird nicht angegeben, ob die jeweilige Karte eingenordet ist oder nicht. Die Darstellung des Inneren der Kontinente und die gesamte Küstenlinie der beiden Erdpole sind der ausmalenden Phantasie entsprungen und vermischen Mythos und Wirklichkeit, da zu jener Zeit diese Informationen in Europa nicht vorlagen.

Der Atlas Maior ist heute eine sehr gesuchte und wertvolle antiquarische Rarität. Jedes einzelne der 129 erhalten gebliebenen Exemplare seiner lateinischen Ausgabe ist heute sehr wahrscheinlich bekannt, da er schon zur Zeit seiner Anfertigung in äußerst geringer Auflage hergestellt wurde. Diese Exemplare gingen hauptsächlich als wertvolle Staatsgeschenke (nach heutigem Preis ca. 20.000 Euro) an gekrönte Häupter und befinden sich heute überwiegend im Besitz von Staatsbibliotheken. So hat beispielsweise die Österreichische Nationalbibliothek allein acht komplette Ausgaben. In Russland befindet sich lediglich ein Exemplar in französischer Sprache: “Le Grand Atlas, ou Cosmographie Blaviane, en laquelle est exactement descritte la terre, la mer, et le ciel” (von 1667).

Nachdrucke

Im Jahr 2004 veröffentlichte der Taschen-Verlag einen Nachdruck des Atlas Maior. 2006 folgten detailliertere Einzelbände.

Der russische Verlag Alfaret in St. Petersburg hat 2008 gemeinsam mit der Russischen Nationalbibliothek eine Faksimile-Ausgabe aller 12 Bände des Atlas Maior im Originalformat herausgebracht (Titel: „Большой атласа, или Космографии Блауа“). Als Vorlage diente das einzige in Russland verbliebenen Originalexemplar des Atlas Maior aus dem Jahr 1667. Die Auflage betrug lediglich 25 nummerierte Bände, so dass der Atlas für Forschungszwecke leichter zugänglich ist und nicht nur in der Sicherheitsabteilung der Bibliothek einsehbar ist.

In den Niederlanden wurden vom Verlag „Hes & De Graaf Publishers BV“ acht Faksimile-Bände des 46-bändigen Atlas Blaeu-Van der Hem, eine erweiterte Version des Atlas Maior, herausgegeben. Das Original, das als Vorlage diente, wurde 1730 von Prinz Eugen von Savoyen nach Wien gebracht, wo es sich noch heute befindet. Laurens van der Hem (1621–1678) hatte diesen Sammelatlas mit 2400 Tafeln von 1662 bis 1678 zusammengestellt.

Bände

Die Ausgabe von 1663 umfasste:

  • 1. Band: 60 Karten und zusätzliche Beschreibungen von Europa, Skandinavien und der Arktis sowie Pläne mit astronomischen Beobachtungen, eine Weltkarte, 8 Diagramme und die Abbildung eines Walrosses.
  • 2. Band: 40 Karten von Nord- und Osteuropa (einschließlich eine Karte von Moskau und eines Planes des Moskauer Kremls)
  • 3. Band: 96 (97 ?) Karten von Deutschland (Germania)
  • 4. Band: 63 Karten von den Spanischen und den nördlichen Niederlanden (Belgica Regia (= buchst. Niederlanden des Königs von Spanien) et Belgica Foederata = Republik der Sieben Vereinigten Provinzen)
  • 5. Band: 58 Karten von England und Wales (Anglia). Der Beschreibungstext dazu enthält drei Abbildungen von Sehenswürdigkeiten (unter anderem Stonehenge) sowie über 100 Kupferstiche, auf denen hauptsächlich antike Münzen abgebildet sind.
  • 6. Band: 55 Karten von Irland und Schottland (Hibernia et Scotia)
  • 7. Band: 37 Karten von Frankreich (Gallia)
  • 8. Band: 36 Karten von Frankreich und der Schweiz (7 Karten; Helvetia) (nach anderen Angaben: insgesamt 64 Karten von Frankreich)
  • 9. Band: 60 Karten von Italien (Italia)
  • 10. Band: 41 Karten, Pläne und Ansichten von Spanien, Portugal und Afrika
  • 11. Band: 28 Karten von Asien und Japan
  • 12. Band: 23 Karten von Amerika (America)

Nach anderen Angaben (wahrscheinlich in anderen Ausgaben) gab es auch Karten von

  • Spanien und Portugal (28 Karten; Hispania et Portugallia)
  • Afrika (13 Karten; Africa)
  • Österreich (20 Karten) (Austria)

Karten von Australien sind nicht enthalten, da es zu jener Zeit noch nicht kartografiert war.

Einzelkarten zum deutschsprachigen Raum

Zu den Karten aus Europa zählen viele aus dem deutschsprachigen Raum (die hier verlinkten Karten stammen aus dem vierbändigen Atlas von 1645):

TitelRegionenKarte
Nova totius Germaniæ descriptioGermanien
Austria ArchiducatusErzherzogtum Österreich
Stiria, SteyrmarckSteiermark
BohemiaBöhmen
Moravia MarchionatusMähren
Silesia DucatusHerzogtum Schlesien
Silesia InferiorNiederschlesien
Ducatus Silesiæ GloganiHerzogtum Glogau
Comitatus GlatzGrafschaft Glatz
Saxonia Superior, cum Lusatia et MeißenObersachsen mit Lausitz und Meißen
Lusatia SuperiorOberlausitz
Brandeburgum Marchionatus, cum Ducatibus Pomeraniæ et MekelenburgiMark Brandenburg mit Herzogtümern Pommern und Mecklenburg
Pomeraniæ Ducatus tabulaHerzogtum Pommern
Rugia Insula ac DucatusInsel und Fürstentum Rügen
Meklenburg DucatusHerzogtum Mecklenburg
Ducatus Holsatiæ nova tabulaHerzogtum Holstein
Celeberrimi Fluvii Albis nova delineatioElbe
Ducatus Luneburgensis adiacentiumque regionum delineatioFürstentum Lüneburg
Archiepiscopatus Maghdeburgensis, et Anhaltinus Ducatus cum terris adjacentibusErzstift Magdeburg und Herzogtum Anhalt mit angrenzenden Gebieten
Ducatus Brunsuicensis fereque Lunæburgensis cum adjacentibus episcopatibus comit domin etc.Herzogtum Braunschweig
Episcopatus Hildesiensis descriptio novissimaHochstift Hildesheim
Circulus Westphalicus, sive Germaniæ InferiorisWestfälischer Kreis
Oldenburg ComitatusGrafschaft Oldenburg
Typus Frisiæ orientalisOstfriesland
Osnaburgensis EpiscopatusHochstift Osnabrück
Monasteriensis EpiscopatusHochstift Münster
Comitatus Bentheim, et SteinfurtGrafschaft Bentheim und Steinfurt
Westphalia DucatusHerzogtum Westfalen
Paderbornensis Episcopatus descriptio novaHochstift Paderborn
Comitatus Marchia et RavensbergGrafschaften Mark und Ravensberg
Clivia Ducatus et Ravenstein DominiumHerzogtum Kleve und Herrschaft Ravenstein
Iuliacensis et Montensis DucatusHerzogtum Jülich und Herzogtum Berg
Archiepiscopatus TrevirensisKurfürstentum und Erzstift Trier
Coloniensis ArchiepiscopatusErzstift und Kurfürstentum Köln
Waldeck ComitatusGrafschaft Waldeck
Territorium Abbatæ HeresfeldensisAbtei Hersfeld
Mansfeldia ComitatusGrafschaft Mansfeld
Thuringia LandgraviatusLandgrafschaft Thüringen
Franconia vulgo FranckenlandtFranken
Nassovia ComitatusGrafschaften Nassau
Palatinatus ad RhenumPfalzgrafschaft bei Rhein
Erpach ComitatusGrafschaft Erbach
Territorium NorimbergenseNürnberg
Palatinatus BavariæBayerische Pfalz
Bavaria DucatusHerzogtum Bayern
Saltzburg Archiepiscopatus et Carinthia DucatusFürsterzbistum Salzburg und Herzogtum Kärnten
Sueviæ nova tabulaSchwaben
Alemannia sive Suevia SuperiorOberschwaben
Wirtenberg DucatusHerzogtum Württemberg
Alsatia Landgraviatus, cum Suntgoia et BrisgoiaLandgrafschaft Elsaß mit Sundgau und Breisgau
Helvetia, cum finitimis regionibus confœderatisSchweiz
Zurichgow et Basiliensis ProvinciaZürichgau und Fürstbistum Basel
Argow cum parte merid. ZurichgowAargau mit Teilen des Zürichgaus
Das WiflispurgergowWiflisburgergau
Alpinæ seu fœderatæ Rhaetiae subditarumque ei terrarum nova descriptioRätien
Rhenus fluviorum Europæ celeberrimus, cum Mosa, Mosella, et reliquis, in illum se exonerantibus, fluminibusRhein mit Maas, Mosel und Nebenflüssen
Germaniae veteris, typusKarte Deutschlands zur Römerzeit mit angrenzenden Gebieten

Kanon der Niederlande

Der Atlas Major wurde in den Kanon der Niederlande der Kommission Van Oostrom aufgenommen. Dieser historische Kanon enthält 50 Themen, die an jeder niederländischen Schule im Geschichtsunterricht behandelt werden müssen.

Literatur

  • Peter van der Krogt: Atlas Maior. Taschen Verlag, 2005, ISBN 3-8228-3125-5 (der komplett faksimilierte Atlas Maior in lateinischer Sprache).
  • Я. Блау: Большой атлас, или Космография Блау = Le Grand Atlas, ou Cosmographie Blaviane, en laquelle est exactement descritte la terre, la mer, et le ciel: in 12 Bänden, Faksimile-Ausgabe 1667. Verlag Alfavit, Sankt Petersburg 2008.
  • Walter A. Goffart: Historical Atlases: The First Three Hundred Years, 1570–1870. University of Chicago Press, 2003, ISBN 0-226-30071-4.
  • Ute Schneider: Die Macht der Karten. Eine Geschichte der Kartographie vom Mittelalter bis heute. Primus Verlag, 2004, ISBN 3-89678-243-6.

Weblinks

Commons: Blaeu – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien