Kölner Werkbundausstellung

Leistungsschau für Kunsthandwerk und Architektur

Die große Kölner Werkbundausstellung von 1914 war die erste Leistungsschau des 1907 gegründeten Deutschen Werkbundes (DWB). Die Ausstellung befand sich am rechtsrheinischen Deutzer Rheinufer nördlich des Deutzer Bahnhofs und gegenüber der Kölner Altstadt mit Domblick, sie umfasste ein 200.000 m²[1] großes Areal (heute Kölnmesse und Rheinpark). Die Präsentation begann am 16. Mai 1914 und endete vorzeitig am 6. August 1914 wegen des Beginns des Ersten Weltkriegs.[2] Trotz der überwiegend deutschen Aussteller wird von Kunsthistorikern der DWB-Ausstellung der Rang einer Weltausstellung zugeordnet.[2][3]

Gesamtplan der Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Köln, 1914, von Carl Rehorst

Geschichte

Plakat für die Ausstellung des Deutschen Werkbundes 1914 in Köln. Entwurf: Peter Behrens; Lithographie / Steindruck: A. Molling & Comp.
Hohenzollernbrücke, 1912, mit Blick auf das Deutzer Rheinufer

Fünf Jahre nach seiner Gründung beschloss der Deutsche Werkbund, seine Ziele, Aufgaben und Leistungen in einer Ausstellung öffentlich zu präsentieren. Es gelang dem damals 36-jährigen Konrad Adenauer – Werkbundmitglied und zu dieser Zeit Erster Beigeordneter der Stadt Köln –, die Ausstellung nach Köln zu holen. Die treibende Kraft für diese Leistungsschau war neben Konrad Adenauer auch Carl Rehorst, der Leiter des Kölner Dezernats für das Bauwesen und Ortsvertrauensmann des Werkbundes für den Bezirk Köln. Rehorst entwarf und setzte den Gesamt-Lageplan der Deutschen Werkbund-Ausstellung Köln 1914 um.[4]

Die Ausstellungsplanung begann 1912. Ein Stab von 115 Mitarbeitern aus der Kölner Verwaltung und Politik bereitete die Ausstellung vor.[1] Die Stadt Köln investierte die für damalige Verhältnisse astronomische Summe von 5 Millionen Goldmark[5] und wurde mit der Kölner Werkbundausstellung international bekannt. Weitere Förderer der Leistungsschau waren Kölns Oberbürgermeister Max Wallraf und der Hagener Unternehmer, Kunstmäzen und Hauptinitiator Karl Ernst Osthaus.[6]

Gebäude

Am 16. Mai 1914 eröffnete Henry van de Velde die Ausstellung „in Anwesenheit einiger preußischer Minister, vieler Politiker wie Honoratioren aus Köln, der Rheinprovinz und dem Reich“.[2] Das Ausstellungsgelände umfasste über 50 exemplarische Gebäude, deren Erscheinung, Verwendung, Ausstattung, Einrichtung und Gärten der breiten Öffentlichkeit vorbildliche Beispiele für eine zeitgemäße, moderne Formgebung vorstellen sollten. Die Haupthalle von Theodor Fischer verfügte allein über 242 Ausstellungsräume,[2] die im Allgemeinen 36 m² groß und 5 m hoch waren.[7] Einzelne Themenbereiche wurden ausgewählt, um in eigenen Gebäuden eine gesonderte Darstellung zu erhalten, so etwa das Haus der Farben (Hermann Muthesius),[8] die Verkehrshalle (Hugo Eberhardt), Teehaus (Wilhelm Kreis), Haupt-Café (Adelbert Niemeyer und Hermann Haas), Bierhalle mit Terrassen (Bruno Paul), Weinhaus (Bruno Paul), Haus der Frau mit Garten (Margarete Knüppelholz-Roeser)[9][10] Werkbund-Theater (Henry van de Velde).[11]

Das Ausstellungsgelände war neben der Hohenzollernbrücke auch über zwei Anlegestege mit dem Schiff zu erreichen:[12] Der eine befand sich vor dem Musikpavillon am zentralen grünen Platz vor der großen Haupthalle; der andere weiter flussabwärts am Kleinen Gehöft des Neuen Niederrheinischen Dorfes. Ludwig Sternaux empfahl Besuchern, die Ausstellung vom Schiff her aufzusuchen; „hier wirken die verschiedenen Architekturen […] zu einem fein abgetönten Raumakkord zusammen, der nicht so leicht zu vergessen ist.“ Im Gegensatz zum Haupteingang im Süden „prunkt hier alles in selbstverständlicher Hoheit.“[13] Ein Vergnügungspark am südlichen Ende des Deutzer Areals sollte auch Laien für die Ausstellung interessieren.

Der deutsche Architekt Walter Gropius entwarf eine moderne Fabrikhalle, die Werkbundfabrik, bei der er auf seine Erfahrungen beim Bau des Fagus-Werks zurückgreifen konnte.[14] Neben der Fabrik, am nördlichen Rand der Ausstellung, erbaute man eine Mustersiedlung für Bewohner aus einfachen Verhältnissen wie Industriearbeiter und Tagelöhner. Innerhalb des einheitlichen Baustils der niederrheinischen Backsteinarchitektur sollte eine große Bandbreite beispielgebender Gestaltungen präsentiert werden.[15]

Der Österreichische Werkbund stellte zusammen mit dem Böhmischen Werkbund in dem von Josef Hoffmann errichteten Österreichischen Haus aus, dessen Innenhof Oskar Strnad gestaltete.[16] Im „Hamburger Raum“ zeigte man die Arbeiten der Professoren und Schüler der neuen Kunstgewerbeschule Hamburg – heute Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK) am Lerchenfeld.[17] Das große Hellglasfenster von Carl Otto Czeschka wurde in Köln präsentiert[18] – vor seinem Einbau in Hamburg (im Foyer).

Abriss

Die Ausstellung sollte bis Ende Oktober dauern, wurde aber nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs am 6. August 1914 vorzeitig beendet. Bis auf ein Bauwerk riss man alle Ausstellungsgebäude und Pavillons nach und nach ab.[19] Diese Ausnahme galt dem Teehaus,[2] umgestaltet vom alten Deutzer Fort XV in einen „schön geschwungenen, zart gegliederten Mittelbau mit Säulenhallen und gegiebelten Flügelbauten“.[20] Trotz allgemeinen Bedauerns[16] blieb bis heute unklar, warum überhaupt ein baulich hochwertiger Stadtteil im Wert von 5 Millionen Goldmark[5] von vornherein vernichtet werden sollte und wer den rasch begonnenen Abriss vorangetrieben hatte. Alfred von Reumont, einer der offiziell ernannten Berater klagte: „ [.] leider sind alle Bemühungen, die Bauwerke selbst zu erhalten, auf unüberwindliche Schwierigkeiten gestoßen“, womit eine mögliche Weiternutzung in Gestalt „einer kleinen Künstlerkolonie“ erfolgreich abgewehrt wurde.[21]

Obwohl das Ausstellungsgelände mit seinen Einrichtungen vom Deutschen Heer als Truppenaufmarschgebiet für verschiedene Zwecke genutzt worden war,[2] sollte aus unbekannt gebliebenen Gründen unbedingt noch während des Krieges der Abriss durchgeführt und beendet werden. Dieses Insistieren auf die vertragliche Abmachung erhielt später sogar Vorrang noch vor dem einquartierten Militär. Nur der Vergnügungspark im späteren Rheinpark überdauerte den Krieg.

Eine Folgeausstellung fand 1927 in Stuttgart-Weißenhof statt. Anders als in Köln blieben die Musterhäuser in Stuttgart bestehen, um sie nach dem Ende der Ausstellung zu vermieten und weiter zu nutzen.

Nach Adenauers Plänen sollte die zweite Kölner Werkbundausstellung 10 Jahre später folgen, wurde aber 1932 als nicht finanzierbar abgesagt. Die Dritte Werkbundausstellung fand dann nach Kriegsende 1949 unter dem Titel: „Die Gute Form“ und „Neues Wohnen“ wieder in Köln statt.[22][23]

Streit um Ziele

Zu den Zielen der Werkbundmitglieder gehörte nicht nur, „Bauwerke und Gebrauchsgüter“ von Qualität zu gestalten, sondern auch die dazugehörige Reform der Arbeits- und Lebensbedingungen. Für die Arbeiter wurde eine Mustersiedlung errichtet, das „Neue Niederrheinische Dorf“. Die Inneneinrichtung stattete man mit Mobiliar aus, das Künstler entworfen hatten.[24][25] Dem Bürgertum stellte man das zerlegbare Sommerhaus der Werkstätten Bernard Stadler Paderborn vor, ausgeführt nach dem System der Fabrik für Holzhausbau Siebel[26] in Düsseldorf-Rath, und eine Mustervilla mit gehobenem Innenausbau und Interieur (beide entworfen von Max Heidrich).[27] Diese Holz-Bauten waren in technischer Hinsicht ihrer Zeit voraus.

Vor allem kam es bei der Kölner Ausstellung zu einem Richtungsstreit, der sich in der Rede Muthesius’ und der Antwort van de Veldes zuspitzte.[28] Dabei ging es um den Widerstreit von Typisierung und Individualismus,[29] Kernthemen, die den Werkbund von Anfang an beschäftigten. Bereits in der Vorbereitung dominierte der Einfluss der Gruppe um Muthesius über den künstlerisch orientierten Kreis um Osthaus. Vom Ausstellungskomitee wurden vorzugsweise „Architekten [.] berufen, die weniger außergewöhnliche und experimentelle Gebäude als konventionelle Ausstellungshallen errichteten.“[2] Zudem wurden auch Aussteller ohne Werkbundmitgliedschaft zugelassen, „im Prinzip alle Hersteller, deren Produkte wirtschaftlich bedeutsam waren“.[2]

Der Konflikt ereignete sich zwischen den Vertretern der Tradition des Kunsthandwerks (Van de Velde, Osthaus, Bruno Taut, Peter Behrens) und der Moderne (Muthesius, Walter Gropius, Josef Hoffmann). Insbesondere der Kampf gegen das Ornament galt bei den Modernisten als zunehmend wichtiges Kriterium für Modernität und damit als Qualitätsnachweis an sich.[30] Die kunsthandwerklichen Traditionalisten dagegen sahen die Qualität der Gegenstände als Einheit von ästhetischer Form und zweckgemäßer Funktion.[31] Das bis heute andauernde Problem beider Lager nicht nur im Deutschen Werkbund ist die Umsetzung dieser Grundforderung in maschinelle oder industrielle Produktion.

Aussteller

Werkbundausstellung in Köln-Deutz, 1914, (vollständig, ohne Legende)

Lageplan der Werkbundausstellung in Köln-Deutz, 1914
Link zum Bild

(Bitte Urheberrechte beachten)


– alphabetisch –

Folgende Werkbundarchitekten, Künstler und Gestalter stellten 1914 aus:

Bremen-Oldenburger Haus 1914 von Abbehusen & Blendermann u. a.[36] mit Kaffee-Restaurant[37] der Kaffee HAG Bremen von Runge & Scotland
Richard Luksch: Elbe, weißer Granit

Literatur (Auswahl)

– chronologisch –

Ausstellungen

  • 100 Jahre Deutsche Werkbundausstellung. Cöln 1914 – Köln 2014. Bogenhalle der Design Post, Köln, 16. Mai – 22. Mai 2014.[1]
  • L’esposizione del Werkbund a Colonia, maggio – agosto 1914: produzione di pace in tempo di guerra. (Die Werkbundausstellung in Köln, Mai – August 1914: Friedensproduktion in Kriegszeiten.) Zentralbibliothek der Fakultät für Architektur der Universität Rom – La Sapienza, Via Gramsci 53, dem Goethe-Institut Italien, deutsches Außenministerium und der Galleria Embrice.[93][94]
  • Köln 1914. Metropole im Westen. Kölnisches Stadtmuseum, Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK), 22. November 2014 – 19. April 2015, Beteiligung.[95]
  • 100 Jahre „Deutsche Werkbund-Ausstellung Cöln 1914“. Die Erfindung des modernen Marken-Designs. (Muster von Zigarren- und Zigarettenverpackungen der Firma Joseph Feinhals, Köln.) Deutsches Verpackungs-Museum, Heidelberg, 13. November 2014 – 30. September 2015.[96]

Symposien

Weblinks

Commons: Kölner Werkbundausstellung – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Karten, Ansichten

Einzelnachweise