Karl Nehammer

österreichischer Politiker (ÖVP), Bundeskanzler der Republik Österreich

Karl Nehammer (* 18. Oktober 1972 in Wien[1]) ist ein österreichischer Politiker (ÖVP). Er ist seit dem 6. Dezember 2021 Bundeskanzler der Republik Österreich.[2]

Karl Nehammer (2020)

Zuvor war er für rund zwei Jahre Bundesminister für Inneres.[3] Von Jänner 2018 bis Jänner 2020 war er Generalsekretär der ÖVP und vom 9. November 2017 bis zum 7. Jänner 2020 Abgeordneter zum österreichischen Nationalrat. Am 3. Dezember 2021 wurde er geschäftsführender Bundesparteiobmann der Österreichischen Volkspartei, zu deren Bundesparteiobmann er am 14. Mai 2022 gewählt wurde.[4]

Leben

Nehammer ist der Sohn von Karl Nehammer, der von 1976 bis 2006 Geschäftsführer der LGV-Frischgemüse war. Seine Mutter, Grete Nehammer, war von 1965 bis 2010 Geschäftsführerin des Bundesverband der Österreichischen Gärtner.[5]Er besuchte in Wien das Kollegium Kalksburg[6] und das Gymnasium Amerlingstraße,[7][1][8] wo er 1992 maturierte.[1][8][7] Anschließend war er als Einjährig-Freiwilliger beim österreichischen Bundesheer mit nachfolgender Weiterverpflichtung bis 1996. 1997 wurde er als Leutnant ausgemustert. Anschließend war er als Lehrtrainer für Informationsoffiziere für das Bundesministerium für Landesverteidigung und als Trainer für Strategische Kommunikation für verschiedene Einrichtungen wie das Berufsförderungsinstitut (BFI) und die Politische Akademie der ÖVP tätig. Ab 2012 absolvierte er an der Universität für Weiterbildung Krems bei Peter Filzmaier den zweijährigen berufsbegleitenden Universitätslehrgang Politische Kommunikation.[8]

Er ist Mitglied der Katholischen Österreichischen Studentenverbindung (KÖStV) Sonnberg Perchtoldsdorf, einer Schülerverbindung im Mittelschüler-Kartell-Verband.[1] Als solcher führt er den Couleurnamen „Mars“.[9]

Karl Nehammers Ehefrau Katharina ist eine Tochter des früheren ORF-Moderators Peter Nidetzky.[10][11][12][13][14] Sie ist ebenfalls in der ÖVP verankert, im Juli 2020 wurde ihr Wechsel vom Minister-Kabinett der Verteidigungsministerin Klaudia Tanner in die Privatwirtschaft (Öffentlichkeitsarbeit) bekanntgegeben.[15] Bis August 2021 war Katharina Nehammer als PR-Beraterin bei einer ÖVP-nahen Agentur tätig.[16]

Politik

Im Oktober 2015 wurde er zum Generalsekretär-Stellvertreter und Bundesorganisationsreferenten des Österreichischen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbundes (ÖAAB) bestellt. Von 2016 bis Jänner 2018 war er Generalsekretär des ÖAAB. Er folgte damit in dieser Funktion August Wöginger nach. Im November 2016 wurde er zum Landesobmann des ÖAAB Wien gewählt. Ab April 2017 war er Bezirksparteiobmann der ÖVP in seinem Wohnsitz-Bezirk[17] Wien-Hietzing. Im Juni 2022 folgte ihm Johanna Sperker als Bezirksparteiobfrau nach.[18][19]

Bei der Nationalratswahl 2017 kandidierte er für den Landeswahlkreis Wien. Am 8. November 2017 wurde er zum ÖVP-Klubobmann-Stellvertreter gewählt.[20] Im Zuge der Regierungsbildung der Bundesregierung Kurz I nach der Nationalratswahl verhandelte er auf ÖVP-Seite in der Fachgruppe Landesverteidigung.[21] Im ÖVP-Parlamentsklub fungierte er als Mediensprecher.[22] Am 25. Jänner 2018 folgte er Elisabeth Köstinger und Stefan Steiner als ÖVP-Generalsekretär nach.[23] Im September 2018 wurde er als Nachfolger von Efgani Dönmez zusätzlich Integrations- und Migrationssprecher.[24] Bei der Nationalratswahl 2019 kandidierte er auf dem fünften Listenplatz der ÖVP Wien[25] sowie auf Platz 11 der ÖVP-Bundesliste.[26] Von der ÖVP wurde er für die Nationalratswahl 2019 in die Bundeswahlbehörde entsandt.[27] Im Zuge der Koalitionsverhandlungen 2019 verhandelte er die Themen Europa, Migration, Integration und Sicherheit.[28]

In der Bundesregierung Kurz II und der Bundesregierung Schallenberg war Karl Nehammer Innenminister.[29] Nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz am 3. Dezember 2021 wurde er geschäftsführender Bundesparteivorsitzender der Österreichischen Volkspartei. Seit 6. Dezember 2021 ist er in der Bundesregierung Nehammer Bundeskanzler der Republik Österreich.[30] Am 14. Mai 2022 wurde er bei einem außerordentlichen Bundesparteitag in Graz mit 100 Prozent der 524 Stimmen zum ÖVP-Bundesparteiobmann gewählt.[4]

Am 9. April 2022 traf Karl Nehammer in Kiew ein und besuchte den ukrainischen Präsidenten Selenskyj. Die Ukraine wird auf Befehl des russischen Präsidenten Putin seit dem 24. Februar 2022 völkerrechtswidrig angegriffen.[31]Daran anschließend besuchte Nehammer am 11. April 2022 in Moskau Präsident Putin. Er ist damit der erste Regierungschef eines westlichen Landes, der ab Kriegsbeginn Putin besuchte.[32]

Öffentliche Kritik

Umbauplan Hitler-Geburtshaus

Der Gedenkstein in Braunau

Im Juni 2020 wurden die von Innenminister Karl Nehammer präsentierten Umbaupläne für das Hitler-Geburtshaus heftig kritisiert. Das Mauthausen Komitee Österreich, das oberösterreichische Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus und der KZ-Verband/VdA OÖ (Landesverband Oberösterreich der AntifaschistInnen, WiderstandskämpferInnen und Opfer des Faschismus) vermuten, dass mit dem Umzug des Gedenksteines mit der Aufschrift „Für Frieden Freiheit und Demokratie – Nie wieder Faschismus – Millionen Tote mahnen“ ins Haus der Geschichte Österreich in Wien eine „Verdrängung statt Auseinandersetzung“ und eine „Verhöhnung aller Opfer des Faschismus“ erfolge. Netzwerk-Sprecher Robert Eiter[33] forderte Nehammer auf, den nationalen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus in Angriff zu nehmen, statt einen antifaschistischen Mahnstein verschwinden zu lassen. Auch die erinnerungspolitische Sprecherin der SPÖ Sabine Schatz[34] und der grüne Nationalratsabgeordnete und Gemeinderat in Braunau David Stögmüller sprachen sich für den Erhalt des Gedenksteines an seinem bisherigen Platz aus.[35] Die Gemeinde beschloss im Juli 2020, den Gedenkstein unverändert zu lassen.[36]

Allerseelen-Attentat

Nach dem Terroranschlag in Wien am 2. November 2020 musste sich Nehammer als Innenminister dem Vorwurf stellen, das Attentat nicht verhindert zu haben, da sich herausstellte, dass das ihm unterstellte Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) nach Hinweisen auf einen versuchten Munitionskauf durch den damals bereits polizeibekannten Attentäter es durch einen Kommunikationsfehler verabsäumt hatte, entsprechend zu handeln.[37] Er war in Folge auch dafür zuständig, dass mehrere Razzien im islamistischen Milieu stattfanden. Aufgrund der darauf folgenden Bedrohungen gegen seine Familie wurde sie unter Polizeischutz gestellt.[38]

Cobra-Affäre

Im Frühjahr 2022 sorgte ein Vorfall für mediales Aufsehen um Nehammer: Beamte der Polizei-Einheit Cobra verursachten alkoholisiert einen Unfall, als sich diese von einem Umtrunk bei der Ehegattin Nehammers auf dem Rückweg befanden. Danach wurde ein umfangreiches anonymes Schreiben bekannt, das schwerwiegende Vorwürfe gegen Nehammer, seine Gattin sowie die Führung der Sondereinheit Cobra enthalten hat. Cobra-Bedienstete sollen dem Schreiben zufolge zu auftragswidrigen fachfremden Tätigkeiten wie das Transportieren der Kinder des Kanzlers zu Terminen herangezogen worden sein.

Die Staatsanwaltschaft Korneuburg sah einen Anfangsverdacht bei folgendem Vorwurf gegeben: Es soll Interventionen gegeben haben, den Vorfall zu vertuschen und so darzustellen, dass die Verbindung zum Einsatz bei Katharina Nehammer, der Ehefrau Nehammers, verloren geht. Diese soll den Beamten nämlich Alkohol verabreicht haben.

Am 10. Oktober 2023 wurde das Verfahren nach anderthalbjähriger Ermittlung von der Staatsanwaltschaft Korneuburg eingestellt. Der Anfangsverdacht des Amtsmissbrauches habe sich nicht erhärtet.[39]

Katharina Nehammer

Im Juli 2021 wurde öffentlich kritisiert, dass Nehammers Frau, Katharina Nehammer, von mehreren Privatpersonen wegen des Teilens eines inhaltlich falschen Facebook-Posts eine Entschädigung von 3500 Euro zuzüglich Anwaltskosten fordert. In dem Post hieß es, Katharina Nehammer arbeitete für Hygiene Austria. Sie arbeitete jedoch für die PR-Agentur von Gregor Schütze, dem ehemaligen Pressesprecher der früheren ÖVP-Innenministerin Maria Fekter, die im Februar 2021 Pressearbeit für Hygiene Austria machte.[40][41] Karl Nehammer verteidigte bei einem Medientermin in Wien das Vorgehen, da seine Frau eine Privatperson sei, die im Internet verleumdet worden sei und sich als Opfer von Hass im Netz wehre. Auch die Höhe der geforderten Entschädigung verteidigte Nehammer: „Das juristische Vorgehen legt der Experte fest, der Rechtsanwalt, es liegt weiter unter dem möglichen Strafrahmen, zehn Prozent darunter.“[42] Im Dezember 2022 entschied das Oberlandesgericht Wien die Klage zugunsten von Katharina Nehammer, sie kündete an, die 3500 Euro spenden zu wollen.[43][44]

Beliebtheit

Mit einer Ablehnungsrate von 62 Prozent der Befragten war Karl Nehammer schon Anfang August 2022 im unteren Drittel einer Studie zu Beliebtheitswerten weltweiter Regierungschefs. Anfang Dezember stieg die Ablehnung auf 66 Prozent und nur 26 Prozent sahen sein Wirken positiv.[45]

Burger-Video

Ende September 2023 wurde ein Video öffentlich, das bei einer ÖVP-Funktionärsveranstaltung in Hallein am 26. Juli 2023 entstanden war.[46] Darin spricht Nehammer unter anderem über Kinderarmut und Frauen in Teilzeitarbeit. In Zusammenhang mit der Diskussion, dass es armutsgefährdeten Kindern an warmen Mahlzeiten fehle, kritisierte er die Eltern, denn die günstigste warme Mahlzeit sei ein Hamburger mit Pommes frites von McDonald’s für (angeblich) 3,50 Euro. Über die Quote von Frauen in Teilzeitarbeit sagte er: „Wenn ich zu wenig Geld habe, gehe ich mehr arbeiten. Weil dann muss ich ja mehr Geld haben.“ Zudem beklagte er den Einfluss der Sozialpartnerschaft in Österreich.[47] Das Video zog große mediale Aufmerksamkeit und heftige Kritik nach sich. Michael Landau, Präsident von Caritas Österreich, kommentierte: „Wer sagt, dass in Österreich niemand hungert oder friert, hat von der Wirklichkeit der Menschen keine Ahnung.“[48] Neben der öffentlichen Aufregung wurden die Aussagen auch von den Oppositionsparteien NEOS, SPÖ und FPÖ kritisiert.[49] Als Reaktion auf diese Kritik lud Kanzler Nehammer für 12. Oktober 2023 zum Format „Frag den Kanzler“ zum Schutzhaus auf der Schmelz im 15. Bezirk Wiens, einer offenen Diskussion mit Kritikern und Betroffenen mit einer Dauer von etwa 90 Minuten, deren Diskussionsteilnehmer auf das Ersuchen Nehammers von mehreren Kammern, kirchlichen Stiftungen und Vereinen sowie Nichtregierungsorganisationen nominiert worden sind.[50] Er betonte in der diesbezüglichen Presseaussendung vom 8. Oktober 2023 jedoch, zu seinen gegenständlichen Aussagen weiterhin zu stehen.[51]

Kanzlermenü wurde zum Österreichischen Wort des Jahres 2023 gewählt. Laut Jury fasse dieses Wort in prägnanter und ironischer Weise den Inhalt der Aussage von Nehammer zusammen.[52]

Publikationen

  • Karl Nehammer. Strategie und Politische Kommunikation der Volkspartei Niederösterreich im Landtagswahlkampf 2013: Analyse der Kampagne und der Mobilisierungsmaßnahmen. 2013. Hochschulschrift. Donau-Universität Krems
  • Den Weg der Veränderung fortsetzen. In: Thomas Hofer, Barbara Tóth (Hrsg.): Wahl 2019. Strategien, Schnitzel, Skandale. Ecowin, Salzburg 2019, ISBN 978-3-7110-0254-9, S. 59 ff.
  • als Hrsg. mit Bettina Rausch: Offen für Neues – Analysen und Einschätzungen zum ersten Jahr der neuen Volkspartei. Verlag Noir, Wien 2018, ISBN 978-3-9504382-2-2.

Weblinks

Commons: Karl Nehammer – Sammlung von Bildern und Videos

Einzelnachweise