Agrellit

Sehr seltenes Natrium-Calcium-Kettensilikat NaCa2[F|Si4O10]

Agrellit (IMA-Symbol Are[2]) ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ mit der chemischen Zusammensetzung NaCa2[F|Si4O10][3] und damit chemisch gesehen ein Natrium-Calcium-Silikat mit zusätzlichen Fluorionen. Strukturell gehört Agrellit zu den Kettensilikateen.

Agrellit
halbfaseriges, zart grünlich-graues Agrellit-Aggregat mit etwas Eudialyt (oben links) aus dem Kipawa Alkalikomplex, Témiscamingue, Québec, Kanada (Größe: 11,0 cm × 9,0 cm × 4,6 cm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1973-032[1]

IMA-Symbol

Are[2]

Chemische Formel
  • NaCa2Si4O10F[1]
  • NaCa2[F|Si4O10][3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate – Ketten- und Bandsilikate (Inosilikate)
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VIII/H.15-010

9.DH.75
70.01.01.04
Ähnliche MineraleZinnwaldit
Kristallographische Daten
Kristallsystemtriklin
Kristallklasse; Symboltriklin-pinakoidal; 1[4]
RaumgruppeP1 (Nr. 2)Vorlage:Raumgruppe/2[3]
Gitterparametera = 7,76 Å; b = 18,95 Å; c = 6,99 Å
α = 89,9°; β = 116,6°; γ = 94,3°[3]
FormeleinheitenZ = 4[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte5,5[5]
Dichte (g/cm3)gemessen: 2,902; berechnet: 2,887[5]
Spaltbarkeitgut
Bruch; Tenazitätuneben
Farbegrauweiß bis grünlich[5]
Strichfarbeweiß
Transparenzdurchsichtig bis durchscheinend
GlanzGlasglanz, matt bis perlmuttartig auf den Spaltflächen
Kristalloptik
Brechungsindizesnα = 1,567[6]
nβ = 1,579[6]
nγ = 1,581[6]
Doppelbrechungδ = 0,014[6]
Optischer Charakterzweiachsig negativ
Achsenwinkel2V = 47°[5]
Weitere Eigenschaften
Besondere Merkmalerosa Fluoreszenz[5]

Agrellit kristallisiert im triklinen Kristallsystem und entwickelt meist langprismatische Kristalle bis etwa 10 cm Länge, kommt aber auch in Form tafeliger Mineral-Aggregate vor.

In reiner Form wäre Agrellit farblos und durchsichtig. Meist ist er jedoch durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterfehlern oder polykristalliner Ausbildung durchscheinend weiß oder nimmt durch Fremdbeimengungen eine grauweiße bis grünliche Farbe an.

Etymologie und Geschichte

Erstmals entdeckt wurde Agrellit in Mineralproben aus dem Kipawa-Komplex in der kanadischen Gemeinde Témiscamingue (Québec). Die Analyse und Erstbeschreibung erfolgte durch J. Gittins, M. G. Brown und B. D. Sturman, die das Mineral nach dem englischen Mineralogen Dr. Stuart Olof Agrell (1913–1996) benannten. Gittins, Brown und Sturman sandten ihre Untersuchungsergebnisse und den gewählten Namen 1973 zur Prüfung an die International Mineralogical Association (interne Eingangs-Nr. der IMA: 1973-032[1]), die den Agrellit als eigenständige Mineralart anerkannte. Die Publikation der Erstbeschreibung folgte drei Jahre später im englischsprachigen Fachmagazin The Canadian Mineralogist.[7]

Das Typmaterial des Minerals wird im Natural History Museum (NHM) in London (UK) unter der Sammlungs-Nr. BM 1979,431, im National Museum of Natural History (NMNH) in Washington, D.C. (USA) unter der Sammlungs-Nr. 127007 und im Royal Ontario Museum (ROM) in Toronto (Kanada) unter der Sammlungs-Nr. M34496 aufbewahrt.[8][9]

Klassifikation

In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz ist Agrellit noch nicht verzeichnet.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. VIII/H.15-10. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort der Abteilung „Schichtsilikate“, wo Agrellit zusammen mit Glagolevit, Kryptophyllit (auch Cryptophyllit) und Shlykovit die unbenannte Gruppe VIII/H.15 bildet.[10]

Die von der IMA zuletzt 2009 aktualisierte[11] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Agrellit in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Ketten- und Bandsilikate (Inosilikate)“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach der Struktur der Ketten bzw. Bänder, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Ketten- und Bandsilikate mit 4-periodischen Einfachketten, Si4O12“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 9.DH.75 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Agrellit in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Kettensilikate: Säulen- oder Röhren-Strukturen“ ein. Hier ist er zusammen mit Fenaksit, Litidionit und Manaksit in der unbenannten Gruppe 70.01.01 innerhalb der Unterabteilung „Kettensilikate: Säulen- oder Röhren-Strukturen mit säulenartigen Silikateinheiten“ zu finden.

Kristallstruktur

Agrellit kristallisiert triklin in der Raumgruppe P1 (Raumgruppen-Nr. 2)Vorlage:Raumgruppe/2 mit den Gitterparametern a = 7,76 Å; b = 18,95 Å; c = 6,99 Å; α = 89,9°; β = 116,6° und γ = 94,3° sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[3]

Eigenschaften

Fluoreszierender Agrellit, ausgestellt im Museo di Storia Naturale (Naturhistorisches Museum) in Florenz

Agrellit zeigt unter langwelligem UV-Licht eine hellrosa und unter kurzwelligem UV-Licht eine matt rosa Fluoreszenz.[5]

Bildung und Fundorte

An seiner Typlokalität im Kipawa-Komplex bildete sich Agrellit in einem regional metamorphisierten agpaischen Gesteinskomplex (pegmatitischer peralkalischer Nephelinsyenit). Als Begleitminerale traten hier unter anderem Biotit, Britholith, Calcit, Fluorit, Galenit, Gittinsit, Hiortdahlit, Klinohumit, Miserit, Mosandrit, Norbergit, Phlogopit, Vlasovit und Zirkon auf. In einem alkalischen Pluton auf dem Wausau-Plateau im Marathon County des US-Bundesstaates Wisconsin traten unter anderem noch Aegirin, Eudialyt und Quarz hinzu.[5]

Des Weiteren konnte das Mineral bisher nur noch im alkalischen Saima-Komplex (auch Saima Alkali-Störung) bei Fengcheng in der nordostchinesischen Provinz Liaoning, im Murun-Massiv des Aldanhochlandes (Ostsibirien) und in den Chibinen auf der Halbinsel Kola in Russland und am Darai-Pioz-Gletscher im Alaigebirge von Tadschikistan entdeckt werden.[12]

Siehe auch

Literatur

  • J. Gittins, M. G. Bown, D. Sturman: Agrellite, a new rock-forming mineral in regionally metamorphosed agpaitic alkalic rocks. In: The Canadian Mineralogist. Band 14, 1976, S. 120–126 (englisch, rruff.info [PDF; 459 kB; abgerufen am 26. Januar 2022]).
  • Michael Fleischer, Joseph Anthony Mandarino: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 62, 1977, S. 173–176 (englisch, rruff.info [PDF; 420 kB; abgerufen am 26. Januar 2022]).
  • Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 243.
  • Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 702 (Erstausgabe: 1891).

Weblinks

Commons: Agrellite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise