In den Kirchen Siebenbürgens in Rumänien haben sich mehr als 1500[1] Orgeln, vom kleinen Orgelpositiv bis hin zu repräsentativen Instrumenten mit mehreren tausend Pfeifen. Vor allem in den evangelisch-lutherisch geprägten Gebieten der Siebenbürger Sachsen, doch auch im Gottesdienst der reformierten Kirche, spielte der instrumental begleitete Gemeindegesang eine wichtige Rolle. Über Jahrhunderte hinweg bestand in Siebenbürgen eine lebendige Orgelbau-Tradition. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert bestanden eine Reihe regionaler Orgelwerkstätten. Nach 1945 kam der Orgelbau im kommunistisch beherrschten Rumänien fast völlig zum Erliegen.[1]
In einigen Stadtkirchen wie der Schwarzen Kirche in Brașov oder der Margarethenkirche in Mediaș können die restaurierten und gut erhaltenen Orgeln regelmäßig erklingen. Dagegen sind in kleineren Dorfkirchen die Orgeln oft nicht mehr spielbar: Aufgrund der Auswanderung der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinden nach 1990 sind viele kleinere Dorfkirchen verwaist. Die Temperaturunterschiede in den ungeheizten Gebäuden, Nagetierbefall und mangelnde Wartung gefährden den Erhalt der Orgeln. Manche von ihnen wurden deshalb an zentrale Orte – wie die Kirchen größerer Städte – verbracht. Teils restauriert, sind sie dort wieder spielbar, teils werden sie nur museal aufbewahrt.
Bedeutende Orgelbauer
- Johannes Prause (1755–1800)
- Johannes Hahn (1712–1783)
- Johann Thois (1769–1830)[2]
- Samuel Maetz (1760-1826)
- Johann Vest (Hermannstadt)
- Martinus Hammer (Hermannstadt)
- Johann Raab (Kronstadt)
- Samuel Binder (Schäßburg)
Heute ist in Siebenbürgen noch der Orgelbauer Hermann Binder tätig, der in Rumänien und im Ausland Orgeln restauriert und instand hält.
Johannes Hahn
Johannes Hahn (1712–1783), war überwiegend im heutigen Kreis Sibiu tätig. Folgende Orgeln sind aus seiner Werkstatt erhalten:[3]
- Elisabethstadt, 1745
- Hermannstadt, Stadtpfarrkirche, 1748, ursprünglich gebaut für die Kirche von Michelsdorf (rum. Boarta)
- Hohndorf, Landkreis Mureş, 1750
- Weingartskirchen, 1750
- Belleschdorf (Idiciu, Kreis Mureş), 1753
- Mediaș, Margarethenkirche, 1755
- Baaßen, 1757
- Marpod, 1763
- Werd, 1768
- Alzen, 1770
- Stolzenburg, 1773
- Großau, 1775
- Kirchberg, 1778
- Mergeln, 1780
- Heltau, 1793
- Mühlbach, unbekannt
Johannes Prause
(1755–1800)
- Orgelpositiv in Felmern, 1780,[4]seit 1996 in Fogarasch.[5]
- Wolkendorf bei Kronstadt, 1781.[6]
- Nikolauskirche in Neustadt bei Kronstadt, 1782, seit 1842 in Gürteln, rumänisch Gherdeal.[7]
- Zeiden, 1783,[8] 2014 nach Restaurierung wieder eingeweiht.[9]
- Weidenbach, 1786.
- Honigberg, 2006 renoviert.[10]
- Keisd[11]
- Reichesdorf, 1788.[12]
- Marienburg bei Kronstadt,[13] 2004 renoviert.
- Bistritz, 1795.[14]
- Streitfort, 1787,[15] 2002 nach Wolkendorf verbracht.[16]
- Nußbach, 1793,[17] 1907 von den Gebrüdern Rieger und wiederum 2014 komplett erneuert, 2015 wieder eingeweiht.
- Magarei, 1796,[18] seit 2001 in der ev. Kirche von Bukarest, Restaurierung 1997–2000 durch Hermann Binder.
Johann Thois
(Abschnitt enthält urheberrechtlich geschütztes Material!)Im Detail wurden die Thois-Orgeln 2010 von Barthold beschrieben.[2] Die Dispositionen weisen noch barocke Züge auf. Einmanualige Instrumente sind ohne, die zweimanualigen mit Pedal gebaut. Mit Ausnahme der Orgel in Siebendörfer besitzen alle, auch die einmanualigen, einen gedeckten 16' im Manual, der aber nur in der Basslage bis c1 ausgeführt ist. Die die Disposition prägenden Prinzipale sind leicht streichend, die Flöten flach, ohne Solobrillanz intoniert. Die Pedalwerke sind gut ausgebaut, verfügen über je eine gemischte Stimme und mit Ausnahme von Brenndorf über je eine 16'-Zungenstimme. Pedalkoppeln sind somit überflüssig. Sololabiale sind ebenfalls Teil der Thoisschen Klangvorstellung. Soweit sie noch original intoniert sind, haben sie aber nicht die Intensität, wie sie Streicherstimmen der Romantik vermitteln. An Spielhilfen gibt es nur die Manualkoppeln; Tremulanten und andere Nebenregister sind nicht vorhanden. Um die Wende zum 20. Jahrhundert wurden die meisten Thois-Dispositionen romantisierend umgestaltet. Über die von Thois verwendete Temperierung und die Höhe des Stimmtones gibt es keine Quellen. Bei der Restaurierung der Thois-Orgel in Deutsch Weißkirch hat sich die Orgelbau- Lehrwerkstatt Honigberg für eine leicht ungleichschwebende Stimmung nach Billeter bei einer Stimmtonhöhe von a1 (439 Hz bei 16° C) entschieden. Die Metallpfeifen sind dünnwandig, die Wandungen der 8' und 4' langen Pfeifen sind nach oben ausgedünnt, die Kerne im vorderen Viertel verstärkt. Die Holzpfeifen sind teilweise bis zur 4'-Länge mit Oberlabienverstärkungen versehen, die Seiten mit den Kernböden durch Zinken verbunden.
Johann Thois (1769–1830) können folgende Orgeln zugeschrieben werden:[2]
- Heldsdorf, ev. Kirche, Pfeifen und Windladen vermutlich von Johann Prause, 1785, Gehäuse vermutlich von Thois, 1808.
- Deutschkreuz, ev. Kirche, 1813.
- Brenndorf, ev. Kirche, 1816.
- Deutschweißkirch, ev. Kirche, 1817.
- Trappold, ev. Kirche, 1822.
- Rosenau, ev. Kirche. Hauptwerk von Prause, 1781, Rückpositiv und Pedal von Thois 1824 hinzugefügt.
- Petersberg, ev. Kirche.[19]
- Szecseleváros-Hosszúfalu-Alszeg (dt.: Siebendörfer), ungar. ev. Kirche, Anfang 19. des Jahrhunderts.
- Gyulafehérvár (dt.: Weißburg), ungar. ref. Kirche, Anfang des 19. Jahrhunderts.
- Reps, ev. Kirche, undatiert, Anfang des 19. Jahrhunderts. Nur Gehäuse und Teile des Pfeifenwerks erhalten.
Eine originale Orgeldisposition von Thois konnte in der ev. Kirche von Petersberg rekonstruiert werden:[2]
Hauptwerk (C–f3): Quintade (C–c1) 16', Principal 8', Quintaton 8', Salicional 8', Octav 4', Fugara 4', Quinta 3', Superoctav 2', Mixtur 4-fach.
Rückpositiv (C–f3): Flauto 8', Principal 4', Flauto 4', Octav 2', Spitzfloet 2'.
Pedal (C–c1): Violon 16', Subbaß 16', Octav 8', Superoctav 4', Posaune 16', Mixtur 6-fach.
Martinus Hammer, Johann Raab
Martinus Hammer verkaufte 1719 ein Positiv an die Kirche von Bekokten, das 1741 renoviert wurde. 1765/1766 baute der Kronstädter Orgelbauer Johann Raab eine neue Orgel, die 1846 auf die Westempore versetzt wurde. Sie hat 22 Register, 2 Manuale und Pedal. 1866 wurde die alte Orgel an Seligstadt verkauft und eine neue Orgel von Samuel Binder aus Schäßburg erworben.
Honigberger Orgelwerkstatt
2007 wurde auf Initiative der Schweizer Orgelbauerin Barbara Dutli in Honigberg eine Orgelwerkstatt gegründet, die nach und nach erhaltene Orgeln restauriert und Orgelbauer ausbildet.[20]
Siehe auch
Literatur
- Hermann Binder: Orgeln in Siebenbürgen. Ein Beitrag zur Siebenbürgischen Orgelgeschichte von den Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. ISBN 3-927293-20-2
- Steffen Schlandt: Die Orgelmusik in den evangelischen Kirchen in Kronstadt und dem Burzenland, Promotionsarbeit an der Klausenburger Musikakademie. 2011
- Ursula Philippi, Erich Türk: Klingende Landschaft. Orgeln in evangelischen Kirchen Siebenbürgens. Hermannstadt, o.J.
Weblinks
- Orgeldatei der Evangelischen Kirche in Rumänien, abgerufen 19. Oktober 2017
- Steffen Schland, Organist der Schwarzen Kirche, stellt Orgeln aus dem Kreis Brașov vor (Teil 1, rumänisch) auf YouTube
- Steffen Schland, Organist der Schwarzen Kirche, stellt Orgeln aus dem Kreis Brașov vor (Teil 2, rumänisch) auf YouTube
- Orgeln in Siebenbürgen (Youtube-Kanal), abgerufen 19. Oktober 2017