Kongress von Frauen in Naturwissenschaft und Technik

Der Kongress von Frauen in Naturwissenschaft und Technik (kurz FiNuT-Kongress) ist ein autonomer Kongress, der seit 1977 jedes Jahr über vier Tage am Himmelfahrtswochenende stattfindet und von und für Frauen in Naturwissenschaft und Technik organisiert wird.

Grafikdesign des 14. nationalen Kongresses der FiNuT.

Geschichte

Mit dem ersten, von Christiane Erlemann und Margarete Pauls ins Leben gerufenen Kongress (damals Treffen) 1977 in Aachen begann in Deutschland die Naturwissenschaftlerinnen- und Technikerinnen-Bewegung. Viele Ideen und Ansätze, die heute gängige (und institutionalisierte) Praxis bei der Förderung von Frauen in Naturwissenschaft und Technik sind, wurden von Frauen beim Kongress entwickelt. Darüber hinaus sind viele formelle und informelle Netzwerke und Organisationen auf den Kongressen entstanden, zum Beispiel der deutsche ingenieurinnenbund, der Verein von Frauen in Naturwissenschaft und Technik (NUT) e.V.[1] und die Zeitschrift Koryphäe – Medium für feministische Naturwissenschaft und Technik.

Der Kongress fand das erste Mal als Treffen von Frauen in Naturwissenschaft und Technik statt, danach zunächst halbjährlich und später jährlich in wechselnden Städten. Beim ersten Treffen nahmen ca. 40 Frauen teil. Die Teilnehmerinnenzahl stieg sehr schnell an und erreichte in den frühen 1990er Jahren mit 700–800 Teilnehmerinnen ihren Höhepunkt. In den 2000er Jahren hatte sich die Teilnehmerinnenzahl auf 300 bis 400 eingependelt. Viele Jahre war der Kongress an Universitäten und Hochschulen angesiedelt und die Vorbereitungsgruppen waren universitär verankert.

Seit 2010 findet die Veranstaltung in deutlich kleinerem Rahmen in Tagungshäusern statt.

Im Archiv der Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin wird in der Rubrik 1.3 Vereine und Verbände unter dem Namen VV FiNuT ein Bestand von Unterlagen aus den Jahren 1977 bis 2010 verwahrt.[2]

Themen

Die Themen spannen sich vom Erfahrungsaustausch über Fachvorträge bis zu politischen Diskussionen. Jeder Kongress hat ein Schwerpunktthema, das von der Vorbereitungsgruppe ausgesucht wird (zum Beispiel „Nachhaltig vorsorgen“, „GeZeitenwechsel“, „Wissen schaf(f)t Widerstand“). Zusätzlich gibt es in der Regel Veranstaltungen zu den folgenden Themen:

Teilnehmerinnen und Chronik

Die Teilnehmerinnen kommen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum, zum Teil aber auch außerhalb von diesem. Das Spektrum der Teilnehmerinnen reicht dabei von der Schülerin bis zur Rentnerin, und von der Professorin bis zur Handwerkerin.

Kongresschronik[3]
TagungZeitOrtAnzahlTitelSchwerpunktthemenDokumentation ISBN
1.16. bis 19. Juni 1977Aachen60
2.6. bis 8. Januar 1978Hamburg200
3.1978Frankfurt am Main150
4.9. bis 11. Februar in 1979Göttingen270
5.1979Stuttgart
6.1980Darmstadt80
7.1981Hannover250
8.1982Berlin230
9.1983Aachen
10.1984Stuttgart
11.1985Gießen
12.1986Oldenburg (Oldenburg)
13.1987Erlangen
14.1988Göttingen500
15.1989Bonn500
16.1990Münster
17.1991Kiel500
18.1992Bremen700Lesben – Rassismus und Antisemitismus
19.1993Berlin700
20.1994Gießen300
21.25.–28. Mai 1995KarlsruheFrauen im Nationalsozialismus und Naturwissenschafts- und TechnikkritikFrauen im Nationalsozialismus und Naturwissenschafts- und TechnikkritikISBN 3-9804855-0-1
22.16.–19. Mai 1996Braunschweigca. 480Kommunikation und InformationsgesellschaftAuswirkungen der AtompolitikISBN 3-9804855-8-7
23.8.–11. Mai 1997Hannoverca. 500Arbeits(t)räume – Lebens(t)räumeSchülerinnenprojekteISBN 3-9804855-7-9
24.21.–24. Mai 1998Mainzca. 400Frauen macht EuropaEntscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten im „neuen“ EuropaISBN 3-933611-24-5
25.13.–16. Mai 1999Darmstadt400Frauenmehrwert – Eine Bilanz am Ende des JahrtausendsFrauenmehrwert – Eine Bilanz am Ende des JahrtausendsISBN 3-933611-25-3
26.1.–4. Juni 2000Hamburgca. 400Fließende GrenzenMigration und WasserISBN 3-933611-26-1
27.24.–27. Mai 2001Wien400Wissen_schaf(f)t WiderstandISBN 3-85286-100-4
28.9.–12. Mai 2002Kasselca. 400Alles unter einen HutSplitter zum Ganzen fügen und Vielfalt der PerspektivenISBN 3-933611-28-8
29.29.5. – 1.6.2003Berlin350standard:abweichungStandard und AbweichungISBN 3-929120-18-6
30.2004Winterthur500no limits!?ISSN 1424-3342
31.5.–8. Mai 2005Bremen230gezeitenwechselInternationalisierung und FrauenräumeISBN 3-8142-0995-8
32.2006KölnBilanzraum:Gerechtigkeit
33.2007LüneburgNachhaltig VorsorgenISBN 978-3-00-024256-4
34.2008BonnGe-wissen-los, Gen-Wissen-los,
Geh-Wissen-los!
35.2009TrierSicherheit
36.2010AltenkirchenUmbenennung
zur Tagung
Online[4]
37.2011AltenkirchenOnline[4]
38.2012AltenkirchenEnergiewendeOnline[4]
39.2013AltenkirchenOnline[4]
40.2014AltenkirchenOnline[4]
41.2015AltenkirchenOnline[4]
42.2016AltenkirchenOnline[4]
43.25.–27. Mai 2017Berlinfeministisch_4.0Feierliche Tagung zum 40-jährigen Jubiläum im Deutschen Technikmuseum Berlin (DTMB)ISBN 978-3-89376-182-1
44.10.–13. Mai 2018DarmstadtOnline[4]
45.30. Mai – 2. Juni 2019DarmstadtFrauen wirtschaften: Frauenbetriebe – Frauengenossenschaften – FrauenprojekteOnline[4]
46.31. Oktober 2020onlineNachhaltigkeitOnline[4]
47.10.–12. September 2021hybrid - in Berlin sowie onlineKlimakrise und Klimagerechtigkeit - ein feministischer Blick!Online[4]
48.26.–29. Mai 2022HamburgWasserOnline[4]
49.18.–21. Mai 2023DarmstadtStadt - Mobilität - NachhaltigkeitOnline[4]
50.9.–12. Mai 2024BerlinTransformation - Was? Wohin? Wie?Online[4]

Gestaltung und Ablauf

„Autonom“ bedeutet, dass hinter dem Kongress kein Verband oder Verein steht. Bei jedem Kongress gibt es ein Plenum, auf dem alle Kongressteilnehmerinnen stimmberechtigt sind. Die Vorbereitungsgruppe eines Kongress wird jeweils auf dem Kongress zwei Jahre vorher von diesem Plenum bestimmt. Die Vorbereitungsgruppe organisiert den Kongress eigenständig und selbstverantwortlich, wobei sie aber an die demokratisch gefassten Beschlüsse der vorhergehenden Kongresse gebunden ist.

Der Kongress lebt von der Vielzahl der angebotenen Veranstaltungen, bei denen es sich um Vorträge, Workshops, Exkursionen, Ausstellungen, Gruppentreffen u.v.m. handeln kann. In der Regel wird im Oktober des Vorjahres ein Call for Paper für den Kongress versandt. Der Kongress wird am Donnerstag mit dem Eröffnungsplenum eingeleitet und mit dem Abschlussplenum am Sonntag beendet.

Literatur

  • Helene Götschel: Die Geschichte des Kongresses von Frauen in Naturwissenschaft und Technik 1977 bis 1989. Schriftenreihe / NUT – Frauen in Naturwissenschaft und Technik e.V., Band 8, 2002, Talheimer, Mössingen-Talheim, ISBN 3-89376-095-4.
  • Dokumentationen der Kongresse von Frauen in Naturwissenschaft und Technik erschienen im FiT-Verlag (zum Beispiel Kassel 2002 ISBN 3-933611-28-8).
  • Verein FLuMiNuT (Hrsg.): Wissen_schaf(f)t Widerstand, Dokumentation des 27. Kongresses von Frauen in Naturwissenschaft und Technik, Reihe Dokumentation Band 25, Milena Verlag 2002, ISBN 3-85286-100-4.
  • Heidi Rebsamen, Sandra Gloor, Anita Huber, Nicole Näf, Christa Schmid, Sabine Schweizer (Hrsg.): FINUT04 no limits?, Dokumentation des 30. Kongress von „Frauen in Naturwissenschaft und Technik“ vom 20. bis 23. Mai 2004 an der Zürcher Hochschule Winterthur ZHW in Winterthur, Staatssekretariat für Bildung und Forschung SBF, 2005. ISSN 1424-3342.
  • TechNaM e.V. (Hrsg.): Nachhaltig Versorgen, 33. Kongress Frauen in Naturwissenschaft und Technik, 17. bis 20. Mai 2007 in Lüneburg, Dokumentation, v. Stern’sche Druckerei, Lüneburg, 2008. ISBN 978-3-00-024256-4.
  • Corinna Bath, Smilla Ebeling, Melanie Nowak: 4. Feministische Naturwissenschaftsforschung und FiNuT-Kongresse seit den 1980er Jahren: Strukturen, Individuen, Themen in Barbara Paul, Corinna Bath und Silke Wenk (Hrsg.): Geschlechterwissen in und zwischen den Disziplinen: Perspektiven der Kritik an akademischer Wissensproduktion, transcript Verlag, Bielefeld 2020, S. 97–132. ISBN 978-3-8394-5237-0

Einzelnachweise