3-Chlor-1,2-propandiol

Enantiomerenpaar

Die Substanz 3-Chlor-1,2-propandiol, abgekürzt 3-MCPD (3-Monochlorpropandiol), ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der chlorierten Diole. 3-MCPD kann als ein Monochlorderivat des Glycerins aufgefasst werden.

Strukturformel
Strukturformel von 3-Chlor-1,2-propandiol
Darstellung ohne Angabe der Stereoisomerie
Allgemeines
Name3-Chlor-1,2-propandiol
Andere Namen
  • 3-MCPD
  • 3-Monochlorpropan-1,2-diol
  • Chlorpropylenglykol
  • Glycerinmonochlorid
  • Glycerin-α-monochlorhydrin
  • α-Chlorhydrin
SummenformelC3H7ClO2
Kurzbeschreibung

farblose, hygroskopische, fast geruchlose Flüssigkeit[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
EG-Nummer202-492-4
ECHA-InfoCard100.002.267
PubChem7290
ChemSpider7018
WikidataQ223066
Eigenschaften
Molare Masse110,54 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig

Dichte

1,32 g·cm−3[1]

Schmelzpunkt

−40 °C[1]

Siedepunkt

213 °C (Zersetzung)[1]

Dampfdruck

1 Pa (20 °C)[1]

Löslichkeit

mischbar mit Wasser[1]

Brechungsindex

1,4809 (20 °C)[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]
GefahrensymbolGefahrensymbolGefahrensymbol

Gefahr

H- und P-SätzeH: 290​‐​301​‐​330​‐​315​‐​318​‐​351​‐​360F​‐​370​‐​372
P: 201​‐​280​‐​284​‐​302+352​‐​304+340​‐​305+351+338​‐​308+311[1]
MAK

Schweiz: 0,005 ml·m−3 bzw. 0,023 mg·m−3[3]

Toxikologische Daten

26 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[1]

Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0

−525,3 kJ/mol[4]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C

Stereoisomere

3-Chlor-1,2-propandiol ist chiral, es enthält ein Stereozentrum in der 2-Position. Damit gibt es zwei Stereoisomere: (R)-(–)-3-Chlor-1,2-propandiol und das dazu enantiomere (S)-(+)-3-Chlor-1,2-propandiol.

Wenn in diesem Text oder in der wissenschaftlichen Literatur „3-Chlor-1,2-propandiol“ oder „3-MCPD“ ohne weiteren Namenszusatz (Deskriptor) erwähnt wird, ist (RS)-3-Chlor-1,2-propandiol (Synonym: DL-3-Chlor-1,2-propandiol) gemeint, also das Racemat.

Isomere von 3-Chlor-1,2-propandiol
Name(S)-3-Chlor-1,2-propandiol(R)-3-Chlor-1,2-propandiol
Andere Namen(+)-3-Chlor-1,2-propandiol(–)-3-Chlor-1,2-propandiol
Strukturformel
CAS-Nummer60827-45-457090-45-6
96-24-2 (unspez.)
EG-Nummer612-041-7435-560-9
202-492-4 (unspez.)
ECHA-Infocard100.132.020100.103.374
100.002.267 (unspez.)
PubChem148904148793
7290 (unspez.)
WikidataQ27253620Q27109076
Q223066 (unspez.)

Vorkommen und Gewinnung

Ähnlich wie Acrylamid und das schon lange bekannte Acrolein ist 3-Chlor-1,2-propandiol als giftiger Stoff während des Herstellungsprozesses von fettreichen und salzhaltigen Lebensmitteln beim Erhitzen beobachtet worden. Es wurde bislang in Brot, Würzsaucen (Sojasauce), geräucherten Fleischwaren, Fetten und Ölen sowie in Säuglingsmilchpulver analytisch nachgewiesen. 3-MCPD kann auch aus dem in Zwiebeln enthaltenen Alliin entstehen.[5]

3-Chlor-1,2-propandiol kommt sowohl in freier als auch in veresterter Form – hier besonders bei Fetten und Ölen – mit Fettsäuren als 3-MCPD-Fettsäureester vor.

Es lässt sich zudem aus Glycerin und Chlorwasserstoff darstellen:

Entstehung

Der chemische Entstehungsprozess ist wahrscheinlich eine partielle oder vollständige Verseifung der Fette mit dem Chlorid-Ion (aus dem Salz) als Nukleophil.

Analytik

Zur zuverlässigen qualitativen und quantitativen Bestimmung kann nach angemessener Probenvorbereitung die Gaschromatographie mit Massenspektrometrie-Kopplung eingesetzt werden.[6]

Giftigkeit beim Verzehr

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) geht davon aus, dass die 3-MCPD-Fettsäureester bei der Verdauung in freies 3-Chlor-1,2-propandiol umgewandelt werden:

Abbau eines 3-MCPD-Fettsäureesters zu 3-MCPD und Fettsäuren

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat diese Einschätzung bestätigt.[7] Nach einer ersten toxikologischen Bewertung spricht das BfR zwar nicht von einer akuten Gefahr für Erwachsene, Säuglinge und Kleinkinder. Die duldbare tägliche Aufnahme von 2 µg pro kg Körpergewicht pro Tag[8] kann jedoch um das 3- bis 20-fache überschritten sein. Die Verbraucherzeitschrift Öko-Test bemängelte bei einigen Muttermilchersatz-Produkten sogar eine bis zu 35-fache Überschreitung des vom BfR empfohlenen Grenzwertes.[9] Das BfR sieht daher „Handlungsbedarf im Hinblick auf die Minimierung der Gehalte“.[10]

Für freies 3-Chlor-1,2-propandiol konnte in vivo, also im Tierversuch, eine Carcinogenität nachgewiesen werden.[11]

Der Wissenschaftliche Lebensmittelausschuss hält den täglichen Verzehr von 0,002 mg/kg 3-MCPD bzw. von 3-MCPD-Estern für unbedenklich.[12][7]

Lebensmittelrechtliche Regelung

In der EU werden die Höchstmengen an 3-MCPD und 3-MCPD-Fettsäureester in Lebensmitteln durch die Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 geregelt. Die jeweiligen Höchstgrenzen hängen dabei vom Erzeugnis ab und orientieren sich auch daran, was durch gute Herstellungspraxis oder gute landwirtschaftliche Praxis erreichbar ist. In Hydrolysiertem Pflanzenprotein und Sojasoße liegt der Grenzwert für 3-MCPD bei 20 μg/kg. Den niedrigsten Grenzwert für 3-MCPD und 3-MCPD-Fettsäureester (ausgedrückt als 3-MCPD) gibt es mit 15 μg/kg in flüssiger Säuglingsanfangsnahrung, Folgenahrung und Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke für Säuglinge und Kleinkinder sowie Kleinkindnahrung. Pflanzliche Öle und Fette, Fischöle und Öle anderer mariner Organismen dürfen je nach Herkunft und Anwendung bis zu 2500 μg/kg 3-MCPD und 3-MCPD-Fettsäureester (ausgedrückt als 3-MCPD) enthalten.

Verwendung

3-Chlor-1,2-propandiol wird als Zwischenprodukt bei der Herstellung von Farbstoffen und Pharmazeutika verwendet.

Siehe auch

  • 2-Chlor-1,3-propandiol (Strukturisomer, symmetrisch und nichtchiral)
  • 1,3-Dichlor-2-propanol (1,3-DCP): Kommt gemeinsam mit 3-MCPD ebenfalls als Verunreinigung in Lebensmitteln vor.[13]

Weblinks

Einzelnachweise