Furin
Furin ist eine Endoprotease der Proprotein-Convertase-Familie (PC), das die proteolytische Reifung von Präkursor-Proteinen im eukaryotischen Proteinsekretionsweg katalysiert. Es ist ein überall im Organismus von Wirbeltieren und vielen Wirbellosen exprimiertes Typ-I-Transmembranprotein.[1][2] Zu den Substraten gehören Wachstumsfaktoren, Rezeptoren, extrazelluläre Matrixproteine und auch andere Protease-Systeme, die bestimmte Krankheiten kontrollieren. Neben der Aktivierung von Krankheitserregern spielt es außerdem eine essentielle Rolle in der Embryogenese und der Homöostase.
Furin | ||
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Bändermodell von Furin, nach PDB 1P8J | ||
Andere Namen |
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Eigenschaften des menschlichen Proteins | ||
Masse/Länge Primärstruktur | 794 aa, 86.678 Da | |
Sekundär- bis Quartärstruktur | Homotetramer | |
Kofaktor | Ca2+ | |
Isoformen | 1 (+ 4 potentielle [computergestützt]) | |
Bezeichner | ||
Gen-Name | FURIN | |
Externe IDs | ||
Enzymklassifikation | ||
EC, Kategorie | 3.4.21.75, Hydrolase | |
MEROPS | S08.071 | |
Reaktionsart | Hydrolyse | |
Substrat | Präkursor-Protein | |
Produkte | reifes Protein + Peptid | |
Vorkommen | ||
Homologie-Familie | Hovergen | |
Übergeordnetes Taxon | Bilateria | |
Orthologe | ||
Mensch | Hausmaus | |
Entrez | 5045 | 18550 |
Ensembl | ENSG00000140564 | ENSMUSG00000030530 |
UniProt | P09958 | P23188 |
Refseq (mRNA) | NM_002569 | NM_001081454 |
Refseq (Protein) | NP_001276752 | NP_001074923 |
Genlocus | Chr 15: 90.87 – 90.88 Mb | Chr 7: 80.39 – 80.41 Mb |
PubMed-Suche | 5045 | 18550 |
Zu den Krankheiten, in die Furin involviert ist, gehören unter anderem der Milzbrand, die Vogelgrippe, Krebs, die Alzheimer-Krankheit und das Ebolafieber.[3]
Struktur
Die großen extrazellulären Regionen des Furins weisen eine Gesamthomologie mit denselben Regionen von anderen Mitgliedern der Proprotein-Convertase-Familie auf, die zur Superfamilie der Subtilisin-ähnlichen Serinproteasen gehören. Die größten Sequenzähnlichkeiten befinden sich in der Subtilisin-ähnlichen katalytischen Domäne. Der Aspartat-, Histidin- und Serinrest, die zusammen die katalytische Triade bilden, sind hochkonserviert und die katalytischen Domänen von anderen Proprotein-Convertasen sind mit 54–70 % mit der Sequenz von Furin identisch. Neben einem Signalpeptid besitzen Furin und andere Proprotein-Convertasen sogenannte Prodomänen, an denen sich die Schnittstelle des Signalpeptids am N-Terminus und mehrere konservierte basische Aminosäurereste befinden, welche die autoproteolytische Schnittstelle am C-Terminus beinhalten. Diese essentielle Prodomäne spielt eine wichtige Rolle in der Proteinfaltung von PC, deren Aktivierung, Transport und Regulierung. Des Weiteren besitzen Furin und andere PC eine P-Domäne, die für die Enzymaktivität, die Anpassung am pH-Wert und für die Rekrutierung von Calcium als Cofaktor notwendig ist. In bakteriellen PC fehlt die P-Domäne. Die cytoplasmatische Domäne von Furin kontrolliert dessen Lokalisierung und das Protein Sorting (Prozess, bei dem Proteine auf Basis ihres Bestimmungsorts sortiert werden) im trans-Golgi-Netzwerk.[3]
Eigenschaften
Furin besitzt ein breites pH-Optimum. 50 % seiner enzymatischen Aktivität befindet sich zwischen pH 5 und 8, abhängig davon, welches Substrat gespalten wird. Wie auch andere Mitglieder der Subtilisin-Superfamilie ist Furin streng calciumabhängig und benötigt ungefähr 1 mM Calcium zur vollständigen Funktionsausübung. Außerdem besitzt Furin zwei Calcium-Bindungstaschen, wobei eine Tasche eine mittlere und die andere eine hohe Affinität aufweist.[4] Furin weist außerdem eine schwache Bindung zu Kalium auf; eine Kaliumkonzentration von 20 mM erhöht die Furin-Aktivität durch Erhöhung der Deacylierungsrate (Rückreaktion der Acylierung), die im Katalysezyklus von Furin wichtig ist.[5]
Die Konsensus-Schnittstelle, an der Furin spaltet, befindet sich hinter dem Argininrest am C-Terminus in der Sequenz –Arg–X–Lys/Arg–Arg-|- (wobei X eine beliebige Aminosäure, der senkrechte Strich mit den Viertelgeviertstrichen die Schnittstelle, der Schrägstrich eine „Oder-Verknüpfung“ und der Halbgeviertstrich eine Peptidbindung kennzeichnet) und wurde biochemisch mit zwei Furin-Substraten bestimmt, zum einen mit dem protektiven Antigen (kurz PA, eine Untereinheit des Milzbrandtoxins) und zum anderen mit dem Hämagglutinin des Influenzavirus A (HA).[6][7] Dabei sind die Argininreste an der P1-Position (Aminosäurerest, der sich N-terminal zur Schnittstelle befindet) und P4-Position (vier Aminosäurereste in N-terminaler Richtung von der Schnittstelle entfernt) essentiell, wobei die basische Aminosäure an der P2-Position nicht essentiell ist, aber die Effizienz der enzymatischen Umsetzung stark beeinflussen kann. Daher stellt die Sequenz –Arg–X–X–Arg-|- die Mindestanforderung für eine Schnittsequenz für Furin dar, wobei durch bevorzugte Aminosäurereste an der P2- und P6-Position nicht-bevorzugte Reste an der P4-Position ausgeglichen werden.[8] Aufgrund dessen stellt in Ausnahmefällen die Sequenz –Lys/Arg–X–X–X–Lys/Arg–Arg-|- ebenfalls eine Schnittsequenz für Furin dar.
Die zwei meistverwendeten Furin-Inhibitoren sind der stöchiometrische Peptidylinhibitor Decanoyl–Arg–Val–Lys–Arg–Chlormethylketon und das α1-Antitrypsin Portland (α1-PDX), eine biotechnologisch erzeugte Variante des α1-Antitrypsins. Decanoyl–Arg–Val–Lys–Ar–Chlormethylketon hemmt alle PC mit einer niedrigen nanomolaren Inhibitionskonstante (Ki),[9] wobei die alkylierenden Eigenschaften der reaktiven Gruppe die Anwendungsmöglichkeiten der Reagens einschränken. α1-PDX wird durch Mutation an einer reaktiven Stelle einer Schleife erzeugt, sodass die Mindestanforderung für eine Schnittsequenz für Furin erfüllt ist (–Arg–Ile–Pro–Arg-|-).[10] Außerdem ist α1-PDX hochselektiv für Furin in vitro (Ki = 600 pM); zudem werden bei höheren Konzentrationen auch andere PC gehemmt.[9] In biochemischen, zellulären und tierischen Studien konnte mit α1-PDX die Furin-Aktivität blockiert und die Produktion von pathogenen Viren, die bakterielle Toxinaktivierung und die Krebsmetastase[11] verhindert werden.
Funktion
Furin ist ein Enzym, das zur Familie der Subtilisin-like-Proprotein-Convertasen gehört. Deren Mitglieder sind Proprotein-Convertasen, die latent Präkursor-Proteine in aktive Varianten überführen. Es ist eine Calcium-abhängige Serinendoprotease, die sehr effizient Präkursor-Proteine an ihren gepaarten basischen Aminosäuren-Verarbeitungsstellen spalten können. Einige der Furin-Substrate sind Pro-Parathormon, TGF-β1, Pro-Albumin, Pro-Beta-Sekretase, Matrix-Metalloproteinase-1, Beta-NGF und Von-Willebrand-Faktor. Eine Furin-like-Proprotein-Convertase ist mit involviert in der Verarbeitung von Hämojuvelin (RGMc), das eine schwere Erkrankung, die als Juvenile Hämochromatose bezeichnet wird, durch Eisen-Überlastung mit verursachen kann. Forschungsgruppen um die Wissenschaftler Ganz und Rotwein demonstrierten, dass Furin-like-Proprotein-Convertase (PPC) verantwortlich sind für die Umwandlung von 50 kDa HJV zu einem 40 kDa Protein mit einem abgeschnittenen COOH-Terminus an einer mehrbasischen RNRR-Stelle. Es deutet auf einen potentiellen Mechanismus zur Generierung von löslichen Formen des Hämojuvelins (s-Hämojuvelin) hin, das im Blut der Nagetiere und Menschen gefunden werden kann.[12][13]
Furin ist eine der Proteasen, die für die proteolytische Spaltung der Virushülle-Polyprotein-Präkursoren von HIV: gp160 zu gp120 und gp41 im Vorfeld des viralen Zusammenbaus verantwortlich ist.[14] Man glaubt, dass dieses Gen eine Rolle bei der Tumor-Entwicklung spielt. Für dieses Gen wurden Verwendungen von alternativen Polyadenylationsstellen gefunden.[15][16]
Furin ist im Golgi-Apparat reichlich vorhanden, wo es andere Proteine zu ihren reifen/aktiven Formen spaltet.[17] Furin spaltet Proteine nur downstream einer basischen Aminosäure-Zielsequenz (typischerweise Arg-X-(Arg/Lys)-Arg'). Nebst der Prozessierung von zellulären Präkursor-Proteinen wird Furin auch von mehreren Pathogenen benutzt. Zum Beispiel müssen die Virus-Hüllen-Proteine von HIV, Influenza, Denguefieber, mehrerer Filoviren inkl. der des Ebolavirus und des Marburg-Virus von Furin oder Furin-like-Proteasen gespalten werden, damit sie voll funktional werden können.
Beim Betacoronavirus SARS-CoV-2 wurde die Beteiligung von Furin am Zelleintritt nachgewiesen. Die Virushülle des Kapsids von SARS-CoV-2 ist mit Spike-Proteinen besetzt, die Furin-affinitiv ausgebildet sind und durch Furin gespalten werden, um den endosomalen Zelleintritt im Lungengewebe einzuleiten.[18][19] Milzbrandtoxin, Pseudomonas-Exotoxin, und Papillomaviren müssen von Furin prozessiert werden während sie die Wirtszelle betreten. Furin-Inhibitoren werden geprüft als therapeutische Mittel zur Behandlung von Anthrax-Infektion.[20]
Die Furin-Substrate und die Positionen der Furin-Spaltungsstellen in Protein-Sequenzen können durch zwei bioinformatische Methoden vorhergesagt werden: ProP[21] und PiTou.[22]
Die Expression von Furin in den T-Lymphozyten ist zur Aufrechterhaltung der peripheren Immuntoleranz erforderlich.[23]
Furin interagiert mit PACS1.[24]