Politisches System Italiens
Das politische System des seit 1861 bestehenden italienischen Staates war ursprünglich in der Form einer konstitutionellen Monarchie organisiert und ist seit 1946 als parlamentarische Republik strukturiert.
Vorgeschichte: das Königreich Italien
Der neuzeitliche italienische Staat ging aus den Unabhängigkeitskriegen hervor und wurde am 17. März 1861 gegründet, als Viktor Emanuel II. zum König Italiens ausgerufen wurde. Von der Staatsgründung bis 1946 war Italien eine konstitutionelle Monarchie.
Staatsaufbau
Das Königreich Italien übernahm die Verfassung des Königreichs Sardinien, die auch als „Albertinisches Statut“ (Statuto Albertino) bekannt ist und vom Souverän Carlo Alberto am 4. März 1848 oktroyiert wurde. Das albertinische Statut blieb bis zum Inkrafttreten der republikanischen Verfassung am 1. Januar 1948 in Kraft.
Italien war eine konstitutionelle Monarchie, auch während der faschistischen Diktatur (1922–1943); fast alle Institutionen blieben formal intakt.
Der König als Staatsoberhaupt war an allen drei Staatsgewalten maßgeblich beteiligt.
Die legislative Gewalt stand dem Parlament zu, das sich wie heute aus zwei gleichberechtigten Organen zusammensetzte, der Kammer und dem Senat. Während die Kammer gewählt wurde, wurden die Senatoren vom König bestellt. Der König war auch an der Gesetzesinitiative beteiligt. Während des Faschismus wurde die Kammer in faschistische Ständekammer (Camera dei Fasci e delle Corporazioni) umbenannt und eine dritte gesetzgebende Kammer eingerichtet, der Große Faschistische Rat (Gran Consiglio del Fascismo).
Die Exekutive bestand aus den Ministern, die lediglich als Berater des Königs fungieren sollten. Es kristallisierte sich aber eine echte Regierung mit einem vor dem Parlament verantwortlichen Ministerpräsidenten heraus. Die Ernennung blieb dem König vorbehalten. Dies ermöglichte tatsächlich Mussolinis Machtergreifung (siehe Marsch auf Rom). Während des Faschismus wurde der Ministerpräsident offiziell als Duce bezeichnet.
Was die Judikative angeht, so wurden alle Richter vom König bestellt. Dieser übte auch das Begnadigungsrecht aus.
Gemäß der Verfassung war der römisch-katholische Glaube Staatsreligion.
Wahlsystem
Das Wahlsystem sah ursprünglich ein Mehrheitswahlrecht in zwei aufeinanderfolgenden Wahlgängen vor. Da das Wahlrecht an eine bestimmte Einkommensgrenze gekoppelt war (Zensuswahlrecht), hatten im Jahre 1861 nur 2 % der Gesamtbevölkerung, rund 400.000 Bürger, das Recht zu wählen.
Am 25. Mai 1912 wurde das Recht erweitert (suffragio universale): Alle männlichen Bürger, die das 21. Lebensjahr vollendet hatten und lesen und schreiben konnten, sowie Analphabeten, die das 30. Lebensjahr vollendet hatten, wurden zur Wahl zugelassen. Bei den Wahlen am 26. Oktober und 2. November 1913 konnten schließlich 8,5 Millionen Italiener wählen, 27 % der damaligen Bevölkerung. 1919 wurde das Verhältniswahlrecht eingeführt.
Nachdem Mussolini Ende 1922 an die Regierung kam („Marsch auf Rom“), wurde zur Festigung seiner Macht das von Giacomo Acerbo konzipierte Acerbo-Gesetz verabschiedet: Die stimmenstärkste Partei sollte zwei Drittel der Parlamentssitze erhalten. Das Gesetz fand bei den Wahlen 1924 Anwendung. Nach Errichtung der Diktatur wurden die Wahlen zur Farce; man konnte nur noch für die Nationalfaschistische Partei stimmen.
Parteiensystem
Die politischen Geschicke wurden im 19. Jahrhundert zuerst von der Destra storica (historischen Rechten) bestimmt. Wichtigste Ministerpräsidenten aus dem wirtschaftsliberalen, aber wertkonservativen Lager waren Cavour, Minghetti, Sella. Seit Mitte der 1870er Jahre übernahm die Sinistra storica (historische Linke) die Regierung, mit Agostino Depretis und Francesco Crispi.
Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Liberalen führende Kraft; Giovanni Giolitti (1842–1928) war deren wichtigster Vertreter.
1892 wurde die PSI (Sozialistische Partei Italiens) gegründet, von der sich 1921 die PCI (Kommunistische Partei Italiens) abspaltete.
Der Priester Luigi Sturzo gründete 1919 die italienische Volkspartei (Partito Popolare Italiano).
Die Jahre 1923 bis 1945 des Königreichs wurden von der PNF (National-Faschistischen Partei) bestimmt, die 1921 vom Diktator Benito Mussolini, dem am längsten amtierenden Ministerpräsidenten der italienischen Geschichte, gegründet wurde.
Die Hauptstädte des Königreiches
Erste Hauptstadt Italiens war Turin. 1865 wurde die Hauptstadt nach Florenz verlagert. Rom war damals noch nicht Teil des italienischen Staates. 1870 wurde es erobert und 1871 Hauptstadt (Näheres hier).
Könige Italiens
Die vier Könige Italiens stammen aus dem Haus der Savoyer, die maßgeblich an der Einigung des Landes beteiligt waren und somit einen natürlichen Anspruch auf den Thron hatten.
- Viktor Emanuel II. (nicht der Erste, da die Zählung des Königreiches Sardinien beibehalten wurde) herrschte von 1861 bis 1878.
- Umberto I. blieb König bis 1900, ehe er vom Anarchisten Gaetano Bresci in Monza ermordet wurde.
- Viktor Emanuel III. herrschte von 1900 bis 1946. Er war auch Kaiser von Äthiopien und König von Albanien.
- Umberto II. war nur für einen Monat König, im Mai 1946, hatte aber seit 1944 die Würde des Statthalters inne. Viele königliche Dekrete des Statthalters aus den Jahren 1944 bis 1946 sind noch heute als Gesetze in Kraft.
- Viktor Emanuel II.
- Umberto I.
- Viktor Emanuel III.
- Umberto II.
Das Ende der Monarchie
Nach dem Ende der faschistischen Diktatur und des Zweiten Weltkriegs galt es Italien auch institutionell wieder aufzubauen. Dabei spielte die Frage nach der zukünftigen Staatsform eine zentrale Rolle. Das Haus Savoyen war durch seine maßgebliche Beteiligung an der Machtergreifung Mussolinis diskreditiert, viele Mitglieder des Hauses hatten wichtige Funktionen innerhalb des faschistischen Regimes ausgeübt. Der König hatte zudem die Rassengesetze gegen die Juden unterzeichnet, was er angesichts seiner Machtposition auch hätte verweigern können. Nicht zuletzt war die Monarchie dadurch diskreditiert, dass sie nach dem Waffenstillstand von 1943 das Land im Stich gelassen hatte und ins sichere Brindisi geflohen war, statt sich ihren Aufgaben im besetzten Rom zu stellen. Ursprünglich sollte die Verfassunggebende Versammlung über das Schicksal der Monarchie beschließen. Letztendlich wurde aber dem Volk die Entscheidung überlassen.
Nach Ausrufung der Republik musste die Königsfamilie ins Exil gehen. Die 13. Übergangsbestimmung der italienischen Verfassung untersagte lange Zeit den ehemaligen Königen des Hauses Savoyen, ihren Ehefrauen und ihren männlichen Nachkommen die Einreise ins und den Aufenthalt auf dem Staatsgebiet.
Im Jahr 2002 wurde auf Initiative der Alleanza Nazionale ein Verfassungsänderungsgesetz verabschiedet, das diese Bestimmung aufhob und den Mitgliedern des ehemaligen Königshauses seitdem das Wahlrecht zuspricht sowie den Zugang zu öffentlichen Ämtern ermöglicht. Ansprüche auf ihr früheres Vermögen bleiben den Mitgliedern des Hauses Savoyen aber weiterhin verwehrt.
Ursprung der italienischen Republik
Referendum
Am 2. Juni 1946 wurden die Italiener zum Referendum über die Staatsform und zu den Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung aufgerufen.
Wahlberechtigt waren 28.005.449 italienische Bürger, von denen 24.946.878 zur Wahl gingen, was 89,1 % der Wahlberechtigten entsprach. Zum ersten Mal durften auch Frauen wählen.[1] Das amtliche Ergebnis wurde am 18. Juni 1946 vom Kassationsgerichtshof verkündet:
- 12.718.641 Stimmen (54,27 %) für die Republik
- 10.718.502 Stimmen (45,73 %) für die Monarchie
- 1.509.735 Stimmen (6,44 %) waren ungültig (davon 1.146.729 leere Stimmzettel).[2]
Hinsichtlich der regionalen Mehrheitsverhältnisse war Italien praktisch in zwei Lager gespalten: Im Norden hatte die Republik mit 66,2 % gewonnen, im Süden dagegen kam die Monarchie auf 63,8 %.
Region | Republik | Monarchie | Gesamt | ||
---|---|---|---|---|---|
Stimmen | % | Stimmen | % | ||
Piemont | 1.244.373 | 57,1 | 936.081 | 42,9 | 2.180.454 |
Ligurien | 633.821 | 69,0 | 284.116 | 31,0 | 917.937 |
Lombardei | 2.284.580 | 64,1 | 1.279.748 | 35,9 | 3.564.328 |
Trentino | 192.123 | 85,0 | 33.903 | 15,0 | 226.026 |
Venetien und Friaul | 1.391.419 | 59,3 | 955.770 | 40,7 | 2.347.189 |
Emilia-Romagna | 1.526.677 | 77,0 | 455.524 | 23,0 | 1.982.201 |
Toskana | 1.281.083 | 71,6 | 507.492 | 28,4 | 1.788.575 |
Marken | 499.566 | 70,1 | 212.925 | 29,9 | 712.491 |
Umbrien | 298.196 | 71,9 | 116.321 | 28,1 | 414.517 |
Latium | 749.705 | 48,6 | 792.328 | 51,4 | 1.542.033 |
Abruzzen und Molise | 347.650 | 43,1 | 459.249 | 56,9 | 806.899 |
Kampanien | 438.492 | 23,5 | 1.426.392 | 76,5 | 1.864.884 |
Apulien | 467.781 | 32,7 | 960.849 | 67,3 | 1.428.630 |
Basilicata | 108.289 | 40,6 | 158.345 | 59,4 | 266.634 |
Kalabrien | 338.959 | 39,7 | 514.344 | 60,3 | 853.303 |
Sizilien | 709.735 | 35,3 | 1.303.560 | 64,7 | 2.013.295 |
Sardinien | 206.192 | 39,1 | 321.555 | 60,9 | 527.747 |
ITALIEN | 12.718.641 | 54,3 | 10.718.502 | 45,7 | 23.437.143 |
Es votierten mehrheitlich für den Erhalt der Monarchie der Savoyen: Latium, Abruzzen, Molise, Kampanien (Spitzenwert von 76,5 %), Apulien, Basilikata, Kalabrien, Sizilien und Sardinien. Die königliche Familie hielt sich damals in Neapel auf, dazu passt der Spitzenwert für die Monarchie in der Region Kampanien.
Mehrheiten für die Republik gab es in: Piemont, Aostatal, Ligurien, Lombardei, Trentino (Spitzenwert von 85 %), Venetien, Emilia-Romagna, Toskana, Umbrien und Marken. Beinahe drei Millionen Italiener konnten am Referendum nicht teilnehmen: italienische Kriegsgefangene; Italiener in den Kolonien; Einwohner der Provinzen Bozen-Südtirol, Triest und Görz, deren völkerrechtlicher Status noch nicht geklärt war, sowie 300.000 Flüchtlinge aus Julisch-Venetien (Istrien und ein Teil Dalmatiens, die an Jugoslawien gefallen waren). Der Spitzenwert für die Republik im Trentino hängt wohl mit dem führenden Republikaner, dem damaligen Ministerpräsidenten Alcide De Gasperi, zusammen.
König Umberto II., auch Re di Maggio („Maikönig“) genannt, da er eigentlich nur im Mai 1946 König war, ging am 13. Juni 1946 ins Exil.
Der 2. Juni ist als Fest der Republik (Festa della Repubblica) nationaler Feiertag in Italien.
Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung
Statt der eigentlich vorgesehenen 573 Abgeordneten wurden 556 gewählt, weil jene einiger Provinzen (Bozen, Triest, Görz) noch fehlten.Die Wahlergebnisse:[4]
Partei | Stimmen (%) | Sitze |
---|---|---|
Democrazia Cristiana | 35,18 | 207 |
Partito Socialista | 20,72 | 115 |
Partito Comunista | 18,97 | 104 |
Unione Democratica Nazionale | 6,79 | 41 |
Fronte dell’Uomo Qualunque | 5,28 | 30 |
Partito Repubblicano | 4,37 | 23 |
Blocco Nazionale della Libertà | 2,77 | 16 |
Partito d’Azione | 1,46 | 7 |
Andere | 4,46 | 13 |
Verfassung
Die italienische Verfassung,[5]Originalbezeichnung La Costituzione della Repubblica Italiana, wurde am 22. Dezember 1947 beschlossen, trat am 1. Januar 1948 in Kraft und ist geprägt durch einen Kompromisscharakter, der aus der unmittelbaren Nachkriegsgeschichte herrührt: Aus der Erfahrung des gemeinsamen Widerstandskampfes gegen den Faschismus („Resistenza“) entschlossen sich die im „Nationalen Befreiungskomitee“ zusammengeschlossenen antifaschistischen (liberale, sozialistische, kommunistische und katholisch geprägte) Parteien, gemeinsam die neue Verfassung auszuarbeiten.
Besonderheiten der italienischen Verfassung sind
- die zentrale Rolle, die dem Parlament (Zweikammersystem, bicameralismo perfetto) zugestanden wird;
- die vergleichsweise geringen formalen Einflussmöglichkeiten des Ministerpräsidenten;
- die starke Betonung plebiszitärer Elemente (Verfassungsänderungen müssen eventuell durch Referendum bestätigt werden, außerdem besteht für die Bürger die Möglichkeit, von Volksabstimmungen und Gesetzesinitiative Gebrauch zu machen);
- der mächtige Verfassungsgerichtshof;
- die Dezentralisierung im Zuge von Reformen in den 1990er und Anfang der 2000er Jahre.
Staatsaufbau
Die Verfassungsorgane entsprechen im Wesentlichen denen in anderen westlichen Demokratien.
Die fünf höchsten Ämter
Die fünf höchsten Amtsträger der italienischen Republik sind, angefangen beim höchsten Amt (siehe auch Protokollarische Rangordnung in Italien):
- der Präsident der Italienischen Republik (Staatspräsident),
- der Präsident des Senats,
- der Präsident der Abgeordnetenkammer,
- der Präsident des Ministerrates (Ministerpräsident)
und
- der Präsident des Verfassungsgerichtshofes.
Die höchsten Staatsämter bekleiden zurzeit (Oktober 2022):
- Sergio Mattarella (Staatspräsident),
- Ignazio La Russa (Senat),
- Lorenzo Fontana (Abgeordnetenkammer),
- Giorgia Meloni (Ministerpräsidentin),
- Silvana Sciarra (Verfassungsgerichtshof).[6]
Staatsoberhaupt
Staatsoberhaupt ist in Italien der Staatspräsident (eigentlich: Präsident der Republik, italienisch: Presidente della Repubblica).Laut Verfassungsnorm nimmt er vorwiegend repräsentative Funktionen wahr, beteiligt sich an der Regierungsbildung und ist Oberbefehlshaber über die Streitkräfte. In der Verfassungswirklichkeit kommt ihm nicht selten eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung von Regierungskrisen zu, die in der Italienischen Republik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wesentlich häufiger waren als in anderen europäischen Ländern.
Seine wichtigste Befugnis ist die Auflösung des Parlaments (einer Kammer oder beider). Er darf diese aber in den letzten sechs Monaten seines Mandats (sog. weißes Semester, italienisch semestre bianco) nicht ausüben, es sei denn, sie stimmen mit den letzten sechs Monaten der Legislaturperiode zur Gänze oder zum Teil überein.
Eine weitere wichtige Funktion steht ihm in Zusammenhang mit der Gesetzgebung vor. Da jedes Gesetz vor seiner Verkündung die Unterzeichnung des Staatspräsidenten benötigt, kann er zumindest vorläufig dessen Inkrafttreten verhindern. Wenn das Parlament das Gesetz nämlich erneut billigt, zwingt ihn die italienische Verfassung, dieses zu unterzeichnen. Ein echtes Veto-Recht besitzt er also nicht.
Der Staatspräsident wird von den vereinigten Kammern des Parlaments (parlamento in seduta comune) und Vertretern der 20 Regionen gewählt: drei pro Region, mit Ausnahme des Aostatals, das nur einen Vertreter entsenden darf. Die Wahl des Präsidenten findet durch geheime Abstimmung mit Zweidrittelmehrheit der Versammlung statt. Nach dem dritten Wahlgang genügt die absolute Mehrheit. Gewählt werden kann jeder Staatsbürger, der das 50. Lebensjahr vollendet hat.
Die Amtsdauer des Präsidenten beträgt sieben Jahre, eine Wiederwahl ist rechtlich möglich, aber bis 2013 hat kein Präsident für eine zweite Amtszeit kandidiert: Bedingt durch die schwierigen Mehrheitsverhältnisse nach den italienischen Wahlen 2013 kandidierte Giorgio Napolitano erneut und wurde in seinem Amt bestätigt,[7] trat sodann in 2015 zurück. Auch sein Nachfolger Sergio Mattarella wurde am 29. Januar 2022 für eine zweite Amtszeit wiedergewählt.[8]
Die Befugnisse des Präsidenten der Republik werden in jedem Fall, in dem er sie nicht wahrnehmen kann, vom Präsidenten des Senats ausgeübt.
Erste Staatsoberhäupter unmittelbar nach Abschaffung der Monarchie, aber vor Inkrafttreten der neuen Verfassung (deshalb nur provisorisch) wurden Alcide De Gasperi und Enrico de Nicola; amtierender Präsident ist Sergio Mattarella.
Präsidenten der Republik seit 1946
N. | Präsident | Wahlgang | von | bis | Partei | |
---|---|---|---|---|---|---|
Alcide De Gasperi 1 | 12. Juni 1946 | 1. Juli 1946 | Democrazia Cristiana | |||
I | Enrico de Nicola 2 | 1 | 1. Juli 1946 | 12. Mai 1948 | Partito Liberale Italiano | |
II | Luigi Einaudi | 4 | 12. Mai 1948 | 11. Mai 1955 | Partito Liberale Italiano | |
III | Giovanni Gronchi | 4 | 11. Mai 1955 | 11. Mai 1962 | Democrazia Cristiana | |
IV | Antonio Segni | 9 | 11. Mai 1962 | 6. Dezember 19643 | Democrazia Cristiana | |
V | Giuseppe Saragat | 21 | 29. Dezember 1964 | 29. Dezember 1971 | Partito Socialista Democratico Italiano | |
VI | Giovanni Leone | 23 | 29. Dezember 1971 | 15. Juni 1978 | Democrazia Cristiana | |
VII | Alessandro Pertini | 16 | 9. Juli 1978 | 29. Juni 1985 | Partito Socialista Italiano | |
VIII | Francesco Cossiga | 1 | 3. Juli 1985 | 28. April 1992 | Democrazia Cristiana | |
IX | Oscar Luigi Scalfaro | 16 | 28. Mai 1992 | 15. Mai 1999 | Democrazia Cristiana | |
X | Carlo Azeglio Ciampi | 1 | 18. Mai 1999 | 10. Mai 2006 | Parteilos | |
XI | Giorgio Napolitano | 4 | 10. Mai 2006 | 20. April 2013 | Partito Democratico | |
6 | 20. April 2013 | 14. Januar 20153 | ||||
XII | Sergio Mattarella | 4 | 3. Februar 2015 | 29. Januar 2022 | Parteilos | |
8 | 29. Januar 2022 | - |
Legislative
Parlament
Das italienische Parlament besteht aus zwei Kammern: dem Senat (Senato della Repubblica) und der Abgeordnetenkammer (Camera dei deputati). Beide Kammern sind im Gesetzgebungsverfahren absolut gleichberechtigt und unterscheiden sich nur hinsichtlich Anzahl, Zusammensetzung und Wahlmodus ihrer Mitglieder. Beide Kammern tagen unabhängig voneinander. In jeder Kammer gibt es ständige Ausschüsse und Sonderkommissionen, die ebenfalls unabhängig voneinander sind.
Die Abgeordnetenkammer ist die größere Parlamentskammer, deren Vertreter alle fünf Jahre gewählt werden. Sie besteht aus 400 Abgeordneten (darunter acht Vertreter der Auslandsitaliener).
Dem Senat der Republik gehören 200 gewählte Senatoren (darunter vier für Auslandsitaliener) an. Sie werden ebenfalls (gleichzeitig mit den Abgeordneten) auf fünf Jahre gewählt, allerdings nicht auf nationaler Ebene, sondern auf regionaler Basis. Jede der 20 Regionen stellt eine festgelegte Anzahl an Senatoren, die je nach Bevölkerungszahl in der Region variiert.
Hinzu kommen maximal fünf vom Staatspräsidenten ernannte Senatoren auf Lebenszeit. Zudem sind auch die Staatspräsidenten nach dem Ende ihrer Amtszeit von Rechts wegen Senatoren auf Lebenszeit. Zurzeit (Oktober 2022) sitzen im Parlament sechs Senatoren auf Lebenszeit, davon fünf vom Staatspräsidenten ernannte Senatoren und ein ehemaliger Staatspräsident.
Vor einer Verfassungsreform (2020), die in einer Volksabstimmung bestätigt wurde und mit den Parlamentswahlen 2022 in Kraft trat, zählte die Abgeordnetenkammer 630, der Senat 315 gewählte Volksvertreter.
Parlament in gemeinsamer Sitzung
Ausnahmsweise versammeln sich Abgeordnete und Senatoren in gemeinsamer Sitzung. Die Versammlung findet im Palazzo Montecitorio, dem Sitz der Abgeordnetenkammer, statt. Den Vorsitz des „Parlaments in gemeinsamer Sitzung“ (Parlamento in seduta comune) führt dementsprechend der Präsident der Abgeordnetenkammer. Die italienische Verfassung sieht genau vor, wann das Parlament zur gemeinsamen Versammlung einberufen wird:
- Wahl des Präsidenten der Republik; in diesem Fall wird das Gremium um die Vertreter der Regionen erweitert (erforderliches Quorum: Zweidrittelmehrheit in den ersten drei Wahlgängen, danach absolute Mehrheit)
- Wahl von fünf der fünfzehn Verfassungsrichter (erforderliches Quorum: Zweidrittelmehrheit in den ersten drei Wahlgängen, danach Dreifünftelmehrheit)
- Wahl von einem Drittel der Mitglieder des Obersten Rates der Gerichtsbarkeit (erforderliches Quorum: Zweidrittelmehrheit in den ersten drei Wahlgängen, danach Dreifünftelmehrheit)
- Wahl der Laienrichter für das Anklageverfahren gegen den Präsidenten der Republik (alle neun Jahre wird ein Verzeichnis mit 45 Laienrichtern zusammengestellt; im Falle einer Anklageerhebung werden dann 16 Namen ausgelost)
- Eidesleistung des Präsidenten der Republik
- Anklageerhebung gegen den Präsidenten der Republik
Ordentliche Gesetzgebung
Die staatliche Gesetzgebung steht in Italien zuallererst dem Parlament zu.
Ein Initiativrecht hat jeder einzelne Abgeordnete bzw. Senator, die Regierung als Ganzes, das Volk (50.000 Unterschriften), die Regionalräte, und in sozialen und wirtschaftlichen Bereichen der CNEL (Der Italienische Rat für Wirtschaft und Arbeit).
Jedes Gesetz bedarf der Zustimmung beider Kammern, ein formelles Vermittlungsverfahren ist nicht vorgesehen. Der Staatspräsident muss zudem jedes Gesetz unterzeichnen, bevor es in Kraft treten kann.Da beide Kammern denselben Gesetzestext verabschieden müssen, zieht sich ein normales Gesetzgebungsverfahren oftmals in die Länge. Nach jeder Änderung, die eine der Kammern an einem Entwurf verabschiedet, muss der geänderte Entwurf der jeweils anderen Kammer zur Abstimmung vorgelegt werden. Verabschiedet diese wiederum das Gesetz nur mit Änderungen, müssen auch diese Änderungen durch eine neue Beratung und Abstimmung in der vorherigen Kammer bestätigt werden. Auf diese Art und Weise ist es möglich, dass einzelne Entwürfe jahrelang zwischen den beiden Parlamentskammern hin und her geschoben werden, bevor sie in Kraft treten können. Gesetze können nicht nur vom Plenum verabschiedet werden, sondern ausnahmsweise auch von den ständigen Kommissionen.
Daher tritt dieses reguläre Gesetzgebungsverfahren auf staatlicher Ebene in den Hintergrund. Stattdessen werden in Italien vielfach Akte mit Gesetzeskraft (atti con forza di legge) von der Regierung erlassen, die zweier Art sind:
- Gesetzesdekrete, (decreti-legge; den deutschen Notverordnungen nur bedingt ähnlich): Die Regierung kann „in Fällen außergewöhnlicher Notwendigkeit“ ein Dekret erlassen und dieses nachträglich durch das Parlament in ein Gesetz umwandeln lassen (Art. 77). Das Parlament muss das Dekret innerhalb von 60 Tagen in dieser Form ratifizieren. Kommt es nicht zur Ratifizierung durch das Parlament verliert das Dekret rückwirkend seine Wirksamkeit. In der Rechtsetzungspraxis wird die Dringlichkeitsverordnung regelmäßig zweckentfremdend und sanktionslos missbraucht, da die tatbestandsmäßige außergewöhnliche Notwendigkeit nicht gegeben ist.
- Gesetzesvertretende oder Legislativ-Dekrete gelegentlich auch Ermächtigungsverordnung genannt (decreti legislativi): Das Parlament erlässt ein Ermächtigungsgesetz (legge delega) und beauftragt die Regierung mit der Ausarbeitung eines Dekrets (Art. 76). Hauptanwendungsbereich dieses Rechtsetzungsprozesses sind technisch komplexe Sachbereiche. Das Dekret muss jedoch, bei sonstiger Verfassungswidrigkeit, den Grundsätzen und Richtlinien der Ermächtigung entsprechen, sich auf die dort bestimmten Gegenstände beschränken und innerhalb der im Ermächtigungsgesetz bestimmten Zeit verabschiedet werden. In der Rechtsquellenhierarchie sind diese Dekrete gleichrangig zu den Gesetzen. Die Durchführungsbestimmungen der Sonderstatuten der Autonomen Regionen und Provinzen besitzen ebenfalls die Form eines Gesetzesvertretenden Dekrets. Die Ermächtigung ist in diesem Fall direkt in den Sonderstatuen enthalten, der Erlass muss übrigens von einer sog. paritätischen Kommission gebilligt werden. In der Rechtsquellenhierarchie stehen diese Dekrete unter der Verfassungsebene aber über der einfachen Gesetzesebene.
Diese Dekrete sind Gesetze im materiellen Sinne (leggi materiali), im Unterschied zu den formellen Gesetzen (leggi formali), die vom Parlament beschlossen werden. Weil die Dekrete den Gesetzen des Parlamentes gleichstellt sind, können sie die parlamentarischen Gesetze, mit einigen Ausnahmen, nach den gängigen Derogationsprinzipien abändern und aufheben. Deshalb sind diese Dekrete nicht mit den Verordnungen auf Verwaltungsebene zu verwechseln: letztere stehen immer unter den Gesetzen, können diese nicht beeinträchtigen und sind nicht der Legislative, sondern der Exekutive zuzuordnen. Die Verordnungen (regolamenti) werden auf staatlicher Ebene von der Regierung oder von einzelnen Ministern, auf regionaler Ebene von den zuständigen Organen erlassen; auch die Provinzen und die Gemeinden sowie sämtliche Verwaltungen verfügen über die Verordnungsgewalt. Verordnungen dienen hauptsächlich der Ausführung von Gesetzen, ihrer Präzisierung und Komplettierung. Hauptanwendungsbereich ist die öffentliche Verwaltung.
Die Gesetzgebungsbefugnis steht in Italien neben dem Staat auch den Regionen zu. In den Regionen wird die Gesetzgebungsgewalt von den Regionalräten (die regionalen Parlamente) ausgeübt. Die zwei autonomen Provinzen, Südtirol und Trentino, nehmen im italienischen Verfassungssystem eine Sonderstellung ein und sind den Regionen gleichgestellt: Auch sie sind mit Gesetzgebungsbefugnissen ausgestattet, die von den jeweiligen Landtagen ausgeübt werden.
Gesetzgebungsbefugnis (nach Sachgebieten)
Ausschließliche Gesetzgebung des Staates
In Anlehnung an die föderalistischen Auffassung der enumerated powers zählt die italienische Verfassung seit 2001 jene Bereiche auf, in denen dem Gesamtstaat die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis zusteht:
- a) Außenpolitik und internationale Beziehungen des Staates; Beziehungen des Staates mit der Europäischen Union; Asylrecht und rechtliche Stellung der Bürger von Staaten, die nicht der Europäischen Union angehören;
- b) Einwanderung;
- c) Beziehungen zwischen der Republik und den religiösen Bekenntnissen;
- d) Verteidigung und Streitkräfte; Sicherheit des Staates; Waffen, Munition und Sprengstoffe;
- e) Währung, Schutz der Spartätigkeit und Kapitalmärkte; Schutz des Wettbewerbs; Währungssystem; Steuersystem und Rechnungswesen des Staates; Harmonisierung der öffentlichen Haushalte; Finanzausgleich;
- f) Organe des Staates und entsprechende Wahlgesetze; staatliche Referenden; Wahl zum Europäischen Parlament;
- g) Aufbau und Organisation der Verwaltung des Staates und der gesamtstaatlichen öffentlichen Körperschaften;
- h) öffentliche Ordnung und Sicherheit, mit Ausnahme der örtlichen Verwaltungspolizei;
- i) Staatsbürgerschaft, Personenstand- und Melderegister;
- l) Gerichtsbarkeit und Verfahrensvorschriften; Zivil- und Strafgesetzgebung; Verwaltungsgerichtsbarkeit;
- m) Festsetzung der wesentlichen Leistungen im Rahmen der bürgerlichen und sozialen Grundrechte, die im ganzen Staatsgebiet gewährleistet sein müssen;
- n) allgemeine Bestimmungen über den Unterricht;
- o) Sozialvorsorge;
- p) Wahlgesetzgebung, Regierungsorgane und grundlegende Aufgaben der Gemeinden, Provinzen und Metropolitanstädte;
- q) Zoll, Schutz der Staatsgrenzen und internationale vorbeugende Maßnahmen;
- r) Gewichte, Maße und Festsetzung der Zeit; Koordinierung der statistischen Information und informatische Koordinierung der Daten der staatlichen, regionalen und örtlichen Verwaltung; Geisteswerke;
- s) Umwelt-, Ökosystem- und Kulturgüterschutz.
Rahmengesetzgebung
In den Bereichen der Rahmengesetzgebung legt der Staat die wesentlichen Grundsätze eines Sachgebietes per Gesetz, das den Namen Rahmengesetz (legge cornice) trägt, fest. Jede einzelne Region bzw. autonome Provinz ist befugt, diese Grundsätze durch eigene Gesetze weiterzuentwickeln und zu präzisieren und somit den eigenen Bedürfnissen anzupassen. Die Gesetze der Regionen bzw. autonomen Provinzen enthalten sogenannte Detailnormen (norme di dettaglio). Weil der Staat zumeist keine einschlägigen Rahmengesetze erlassen hat, beziehen sich die Gesetze der Regionen bzw. autonomen Provinzen auf die allgemeinen Grundsätze eines Sachgebietes, die aus den verschiedensten staatlichen Rechtsnormen abgeleitet werden können. Diese Unschärfen führen zu zahlreichen Streitigkeiten vor dem Verfassungsgerichtshof.
Im Italienischen wird die Rahmengesetzgebung als competenza concorrente bezeichnet. Diese entspricht aber nicht der konkurrierenden Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland, sondern der im deutschen Rechtssystem nunmehr abgeschafften Rahmengesetzgebung. Zu den Bereichen der Rahmengesetzgebung in Italien gehören:
- Die internationalen Beziehungen der Regionen und ihre Beziehungen zur Europäischen Union;
- Außenhandel;
- Arbeitsschutz und -sicherheit;
- Unterricht, unbeschadet der Autonomie der Schuleinrichtungen und unter Ausschluss der theoretischen und praktischen Berufsausbildung;
- Berufe;
- wissenschaftliche und technologische Forschung und Unterstützung der Innovation der Produktionszweige;
- Gesundheitsschutz;
- Ernährung;
- Sportgesetzgebung;
- Zivilschutz;
- Raumordnung;
- Häfen und Zivilflughäfen;
- große Verkehrs- und Schifffahrtsnetze;
- Regelung des Kommunikationswesens;
- Produktion, Transport und gesamtstaatliche Verteilung von Energie; Ergänzungs- und Zusatzvorsorge;
- Koordinierung der öffentlichen Finanzen und des Steuersystems;
- Aufwertung der Kultur- und Umweltgüter und Förderung und Organisation kultureller Tätigkeiten;
- Sparkassen;
- Landwirtschaftsbanken, Kreditinstitute regionalen Charakters;
- Körperschaften für Boden- und Agrarkredit regionalen Charakters.
Gesetzgebung der Regionen und der autonomen Provinzen
Den italienischen Regionen bzw. den autonomen Provinzen steht die Gesetzgebungsbefugnis in allen Sachgebieten zu, die nicht ausdrücklich der staatlichen Gesetzgebung vorbehalten sind. Zu den Bereichen der regionalen Gesetzgebungsbefugnis gehören grds.: Transportwesen, Straßennetz, Wasserleitungen und Wasserressourcen, öffentliche Arbeiten von regionalem Interesse, Bauwesen und Urbanistik, Ordnung der regionalen Ämter, lokale Verwaltungspolizei, Sozialdienste, Berufsausbildung, Handel, Industrie, Messen, Tourismus, Handwerk, Steinbrüche und Torfmoore, Land- und Forstwirtschaft, Binnenfischerei, Jagd.[9]
Weitere Bereiche, die der ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis (competenza esclusiva) der Regionen bzw. autonomen Provinzen zugeordnet sind, sind in den sogenannten Sonderstatuten der autonomen Regionen vorgesehen.
Die nach dem Wortlaut der Verfassung bzw. der Sonderstatuten weitreichenden Befugnisse der Regionen und autonomen Provinzen werden vom Verfassungsgerichtshof restriktiv ausgelegt. Hingegen werden die Befugnisse des Staates sehr extensiv ausgelegt, etwa die dem Staat vorbehaltene Festsetzung der wesentlichen Leistungen im Rahmen der bürgerlichen und sozialen Grundrechte, die im ganzen Staatsgebiet gewährleistet sein müssen, der Umweltschutz, der Schutz des Wettbewerbs, die Zivilgesetzgebung. Diese stellen nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs sogenannte Querschnittskompetenzen (competenze trasversali) dar, die es dem Staat ermöglichen, auch in Bereiche vorzudringen, die auf den ersten Blick den Regionen oder autonomen Provinzen vorbehalten wären.[10]
Gesetzgebung auf Verfassungsebene
Gesetze zur Änderung der Verfassung (Verfassungsänderungsgesetze, leggi di riforma costituzionale) und sonstige Verfassungsgesetze (leggi costituzionali) werden von den Kammern mit jeweils zwei Abstimmungen, zwischen denen mindestens drei Monate liegen müssen, verabschiedet.
Wird ein Verfassungs(änderungs)gesetz bei der zweiten Abstimmung sowohl von der Abgeordnetenkammer als auch vom Senat mit einer Zweidrittelmehrheit abgesegnet, tritt es unmittelbar in Kraft. Anderenfalls kann eine Volksabstimmung erforderlich sein.
Die republikanische Staatsform darf nicht Gegenstand einer Verfassungsreform sein.
Volksabstimmungen und Volksbefragungen
Auf staatlicher Ebene gibt es folgende Referenda:
Das „abrogative bzw. aufhebende Referendum“ (referendum abrogativo) hat die Rechtskraft einer verbindlichen Volksabstimmung zum Zwecke der Außerkraftsetzung eines Gesetzes oder einer gesetzesvertretenden Maßnahme mit Gesetzeskraft (Gesetzes- oder Legislativ-Dekret) oder eines Teiles derselben:
- Die Außerkraftsetzung ist einer Volksabstimmung zu unterziehen, wenn dies von fünfhunderttausend Wählern oder von fünf Regionalräten verlangt wird.
- Bei Steuer- und Haushaltsgesetzen sowie bei Gesetzen, die eine Amnestie, einen Straferlass oder die Ermächtigung zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge zum Gegenstand haben, ist eine Volksabstimmung unzulässig.
- Anspruch auf Teilnahme an Volksabstimmungen hat jeder zur Wahl der Abgeordnetenkammer berechtigte Bürger, also jeder 18-jährige Staatsbürger.
- Der zur Volksabstimmung gebrachte Vorschlag gilt dann als angenommen, wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten teilnehmen (50 % der Wahlberechtigten + 1 weiterer Wahlberechtigter, sogenanntes Quorum) und die Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen erreicht wird.
Bisher (Stand Februar 2021) fanden 67 aufhebende Referenden statt, die in 23 Fällen mit dem erforderlichen Quorum angenommen wurden, was zu einer Aufhebung der betroffenen Bestimmungen geführt hat.
Das „konsultative bzw. beratende Referendum“ (referendum consultivo) ist eine einfache, unverbindliche Volksbefragung. Nach Art. 132 der Verfassung gibt es davon zwei Arten:
- Nach Anhörung der Regionalräte kann die Zusammenlegung bestehender oder die Bildung neuer Regionen verfügt werden, wobei jede neue Region eine Bevölkerung von mindestens einer Million Einwohner aufweisen muss. Eine solche Neugliederung kann dann erfolgen, wenn eine mindestens ein Drittel der betroffenen Bevölkerung vertretende Anzahl von Gemeinderäten dies verlangt und wenn der Antrag durch Volksbefragung von der Mehrheit der betroffenen Bevölkerung angenommen wird.
- Die Ablösung einer Provinz oder einer Gemeinde von einer Region und ihre Angliederung an eine andere Region können – mit der durch Volksbefragung ausgedrückten Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerungen der betroffenen Provinz bzw. Provinzen oder der betroffenen Gemeinde bzw. Gemeinden – auf Verlangen der betroffenen Provinzen und Gemeinden, nach Anhörung der Regionalräte, durch eine Volksbefragung und durch ein Gesetz der Republik zugelassen werden.
- Eine solche Befragung fand letztlich am 28. und 29. Oktober 2007 statt: Die Gemeinden Cortina d’Ampezzo, Colle Santa Lucia und Livinallongo del Col di Lana votierten mit 78 % der Stimmen für die Ausgliederung aus der Region Venetien hin zur Autonomen Region Trentino-Südtirol. Das italienische Parlament, welches das letzte Wort in dieser Angelegenheit hat, ist bisher untätig geblieben.
Das „konfirmative bzw. bestätigende Referendum“ (referendum confermativo), auch Verfassungsreferendum (referendum costituzionale) genannt, ist ebenfalls eine Volksabstimmung, deren Ausgang bindend ist:
- Verfassungsänderungsgesetze und sonstige Verfassungsgesetze sind dann einer solchen konfirmativen, d. h. bestätigenden Volksabstimmung zu unterziehen, wenn binnen drei Monaten nach ihrer Veröffentlichung ein Fünftel der Mitglieder einer Kammer oder 500.000 Wähler oder fünf Regionalräte dies begehren.
- Das zur Volksabstimmung gebrachte Verfassungsänderungsgesetz bzw. Verfassungsgesetz wird nur dann verkündet, wenn es die Zustimmung der Mehrheit aller gültig abgegebenen Stimmen erhalten hat. Eine Mindestbeteiligung ist, anders als beim aufhebenden Referendum, nicht erforderlich.
- Einer Volksabstimmung wird nur dann nicht stattgegeben, wenn das Verfassungsänderungsgesetz bzw. Verfassungsgesetz bei der zweiten Abstimmung in den Kammern die Zustimmung von jeweils zwei Dritteln der Mitglieder erhalten hat.
Bisher (Stand Februar 2021) fanden vier Verfassungsreferenden statt, von denen zwei angenommen und zwei abgelehnt wurden:
- Das Referendum vom 7. Oktober 2001 über die weitgehende Regionalisierung Italiens wurde mit 64,21 % Ja-Stimmen angenommen.
- Die von der Regierung Berlusconi befürwortete Verfassungsreform zur Stärkung des Ministerpräsidenten, Einführung des konstruktiven Misstrauensvotums, Umwandlung des Senats in eine Art Bundesrat und zur weitergehenden Föderalisierung wurde 2006 dagegen mehrheitlich abgelehnt (61,29 % Nein-Stimmen).
- Ebenso scheiterte die von der Regierung Renzi 2016 verabschiedete Verfassungsreform, die zu einer tiefgreifenden Reform des Senats und einer Neuverteilung der Kompetenzen zwischen Staat und Regionen zugunsten des Staates führen sollte (59,12 % Nein-Stimmen).
- Das Verfassungsreferendum vom 20. und 21. September 2020 über die Verkleinerung der beiden Kammern des Parlaments wurde mit 69,96 % Ja-Stimmen angenommen.
Weitere Referenda sind auf regionaler und kommunaler Ebene vorgesehen. Sie müssen in den regionalen Statuten oder kommunalen Statuten erlaubt sein. Der Bürgermeister kann jedoch auch unabhängig von einer solchen Vorsehung eine Befragung (consultazione) einberufen.
Zusammenfassung: italienische Normenhierarchie
- Verfassung, Verfassungsänderungsgesetze, Verfassungsgesetze
- Gesetze (des Staates, der Regionen, der autonomen Provinzen), Dekrete, Aufhebendes Referendum
- Verordnungen
- Gebräuche: Das Zivilgesetzbuch lässt Gebräuche nur dann zu, wenn sie von einem Gesetz erwähnt sind (consuetudini secundum legem). Es gelten auch Gebräuche, bei denen es keine Gesetze gibt (consuetudini praeter legem). Es gibt auch Verfassungsgebräuche, etwa bei der Regierungsbildung (siehe unten).
Exekutive
Den Vätern der italienischen Verfassung ging es nach der Erfahrung des Faschismus darum, in der neuen Republik ein möglichst effektives System der gegenseitigen Kontrolle der Verfassungsorgane untereinander zu schaffen. Hieraus resultiert eine relativ schwache Stellung der Regierung in der italienischen Politik.
Offiziell heißt die Regierung Ministerrat (italienisch: consiglio dei ministri oder einfach nur consiglio), der Ministerpräsident firmiert als „Präsident des Ministerrats“, auf italienisch also presidente del consiglio (dei ministri). Spricht man nur vom „Präsidenten“, kann damit also sowohl der Staatspräsident als auch der Ministerpräsident gemeint sein.
Die Minister sind gemeinsam für die Handlungen des Ministerrates und einzeln für die Handlungen ihres Geschäftsbereiches verantwortlich. Die Minister werden auf Vorschlag des Ministerpräsidenten vom Staatspräsidenten ernannt. Der Ministerpräsident hat nicht die Befugnis, Minister selbständig zu ernennen oder zu entlassen.
Der Ministerpräsident bestimmt die allgemeine Politik der Regierung und übernimmt dafür die Verantwortung. Er wahrt die Einheitlichkeit der Ausrichtung in Politik und Verwaltung, indem er die Tätigkeit der Minister fördert und koordiniert. Wegen der Abhängigkeit von den oft instabilen politischen Mehrheitsverhältnissen wird der Ministerpräsident als „Vorsitzender des Ministerrates“ oft nur als primus inter pares betrachtet.
Als Kollegialorgan nimmt der Ministerrat im italienischen Verfassungssystem hingegen eine herausragende Rolle insbesondere im Gesetzgebungsprozess ein:
- er bereitet Gesetzentwürfe vor,
- er erlässt Gesetzesdekrete, die anschließend vom Parlament in Gesetze umgewandelt werden müssen, damit die Gesetzesdekrete ihre Wirksamkeit behalten,
- er wird durch Ermächtigungsgesetze vom Parlament mit der Ausarbeitung von Gesetzen innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen beauftragt und kann insoweit sog. Gesetzesvertretende Dekrete erlassen.
In der Phase der Regierungsbildung nach einer Regierungskrise oder nach Wahlen spielt der Staatspräsident eine wichtige Rolle: Er konsultiert die Fraktionen der im Parlament vertretenen Parteien und beauftragt dann einen aussichtsreichen Kandidaten mit der Regierungsbildung. Dieser muss dann wiederum in Beratungen mit Fraktionen und Parteien versuchen, eine Mehrheit für seine Regierung zu finden. Nach erfolgreichem Abschluss dieser Konsultationsphase präsentiert der designierte Präsident des Ministerrates dem Staatspräsidenten eine Liste der Minister, die dieser normalerweise akzeptiert. Danach kommt der neue Ministerrat zu seiner ersten Sitzung zusammen, beschließt ein Regierungsprogramm und stellt sich der Vertrauensabstimmung in beiden Parlamentskammern. Diese können der Regierung jederzeit das Vertrauen wieder entziehen, was dann in der Regel zu einer neuen Regierungskrise führt.
Ein besonderes Charakteristikum der italienischen Politik sind die häufigen Regierungswechsel seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Als Gründe hierfür lassen sich beispielsweise anführen:
- Die wiederkehrende Zersplitterung der italienischen Parteienlandschaft macht oft Koalitionen mit zahlreichen Parteien nötig; bei Meinungsverschiedenheiten der Regierungsparteien untereinander wird die Regierungskrise immer wieder als Druckmittel gegenüber den anderen Koalitionspartnern genutzt.
- In den seltensten Fällen ist der Ministerpräsident auch Vorsitzender der eigenen Partei. Eine solche Situation ist nicht selten mit einem Machtverlust verbunden, der einzelne Abgeordnete dazu verleiten kann, bei einer Vertrauensabstimmung gegen die eigene Regierung zu stimmen.
- Die faktisch schwache Stellung des Ministerpräsidenten führt dazu, dass bei Konflikten innerhalb des Ministerrates oftmals die Bildung einer neuen Regierung als Mittel zur Klärung der Meinungsverschiedenheiten herangezogen wird.
Zusammensetzung der Regierung
Die Regierung im eigentlichen Sinne, also der Ministerrat, besteht aus dem Ministerpräsidenten, den Ministern mit Portefeuille und einer unbestimmten Anzahl von Ministern ohne Portefeuille (ministri senza portafoglio), die zwar Sitz und volles Stimmrecht haben, aber kein eigenes Ressort leiten.
Die Regierung im weiteren Sinne besteht auch aus den Vizeministern und den Staatssekretären (sottosegretari di Stato). Unter letzteren ist der Staatssekretär beim Ministerpräsidenten der wichtigste, zumal er das Protokoll des Ministerrates bestimmt.
Aktuell amtiert das Kabinett Meloni.
Vertrauens- und Misstrauensvotum; die Regierungskrise
Innerhalb von zehn Tagen nach ihrer Bildung stellt sich die Regierung den Kammern vor, um ihr Vertrauen zu erhalten.
Wird der Regierung das Vertrauen vom Parlament entzogen, auch durch eine einzige Kammer, so muss sie zurücktreten (sog. parlamentarische Krise). Dies kann auf zwei Weisen geschehen:
- Es wird ein Misstrauensantrag von mindestens einem Zehntel der Mitglieder einer Kammer gestellt. Dem Antrag wird zugestimmt.
- Die Regierung stellt die Vertrauensfrage auf die Verabschiedung eines Gesetzes (der große Vorteil ist, dass dadurch keine Abänderungsanträge zulässig sind, und die Verabschiedung schneller vorangeht). Das Gesetz wird nicht gebilligt.
Durch das Misstrauensvotum sind in der republikanischen Geschichte Italiens nur zwei Regierungen zu Fall gekommen: das Kabinett Prodi I im Jahre 1998 und das Kabinett Prodi II im Jahre 2008.
In allen anderen Fällen ist es zu einer außerparlamentarischen Krise gekommen, durch „freiwilligen“ (von den Parteien außerhalb des Parlaments entschiedenen) Rücktritt.
Die „technische“ Regierung
Die technische Regierung (governo tecnico) ist eine vom Staatspräsidenten ernannte Regierung, die sich dadurch auszeichnet, dass der Ministerpräsident und evtl. auch die Minister parteilose Fachleute und Experten aus dem staatlichen Beamtentum oder aus der Privatwirtschaft sind. Eine solche Regierung wird dann gebildet, wenn eine schwere politische Krise vorliegt, etwa nach dem Sturz einer Regierung, und es gilt, wichtige Reformen zu verabschieden. Eine technische Regierung kann nur zustande kommen, wenn sich eine breite parlamentarische Basis finden lässt. Sie ist meist nur eine Übergangsregierung auf Zeit.
- Die erste technische Regierung wurde von Carlo Azeglio Ciampi, dem damaligen Gouverneur der italienischen Zentralbank, formiert (Kabinett Ciampi). Er übernahm 1993 den Posten als Ministerpräsident, inmitten des Zusammenbruchs von Italiens bisherigem Parteiensystem (Mani pulite/Tangentopoli). In seiner Amtszeit wurde eine Wahlrechtsreform realisiert. Im Frühling 1994 fanden schließlich Neuwahlen statt.
- Eine rein technische Regierung mit ausnahmslos parteilosen Ministern wurde von Lamberto Dini, ebenfalls hoher Beamter der Zentralbank, gebildet. Nach dem Sturz von Silvio Berlusconi regierte Dini von Januar 1995 bis Mai 1996. Das Kabinett Dini stabilisierte die Lira und verabschiedete eine wichtige Rentenreform. Im April 1996 fanden erneut Wahlen statt. Dini führte die amtlichen Geschäfte bis zur Vereidigung der ersten Prodi-Regierung weiter.
- Auch das Kabinett Monti unter Mario Monti war eine solche technische Regierung, die nach dem Machtverlust der vorherigen Regierung Berlusconi die Regierungsgeschäfte übernahm, um ein weiteres Abgleiten des Landes in die immer höhere Verschuldung abzuwenden (November 2011 – April 2013).
- Das vom Februar 2021 bis zum Oktober 2022 amtierende Kabinett Draghi unter Führung von Mario Draghi, dem früheren Präsidenten der Europäischen Zentralbank und früheren Gouverneur der italienischen Zentralbank, wurde während der COVID-19-Pandemie gebildet und bestand aus parteilosen Fachleuten und Vertretern des breiten Parteienspektrums, das die Regierung unterstützte.
Nicht selten ist auch der Einsatz einzelner „technischer“, parteiloser Minister innerhalb einer politischen Regierung. So wurde der Diplomat Renato Ruggiero Außenminister und der Arzt Girolamo Sirchia Gesundheitsminister im Kabinett Berlusconi, der Ökonom Tommaso Padoa-Schioppa war Finanzminister der zweiten Prodi-Regierung. Auch im aktuell amtierenden Kabinett Meloni stehen dem Innen-, Arbeits-, Kultur-, Gesundheits- sowie Jugend- und Sportministerium jeweils parteilose Fachleute vor.
Italienische Ministerpräsidenten seit 1946
Nicht zuletzt sollte man berücksichtigen, dass trotz häufiger Regierungswechsel insbesondere während der sogenannten Ersten Republik eine gewisse personelle Kontinuität besteht, wenn man die Regierungen als Ganzes betrachtet. Man könnte von einer häufigen Rotation des Vorsitzes im Ministerrat sprechen, es handelte sich keineswegs immer um völlig neue Regierungen. Den 68 Regierungen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs standen daher 31 verschiedene Ministerpräsidenten vor.
Die letzten Parlamentswahlen fanden am 25. September 2022 statt.
Tage im Amt (gesamt)a | Ministerpräsident | Parteib | Anzahl der Regierungen | |
---|---|---|---|---|
1. | 3297 | Silvio Berlusconi | FId, PDL | 4 |
2. | 2496 | Alcide De Gasperi | DC | 7e |
3. | 2226 | Giulio Andreotti | DC | 7f |
4. | 2074 | Aldo Moro | DC | 5 |
5. | 1492 | Romano Prodi | L’Ulivo | 2 |
6. | 1389 | Amintore Fanfani | DC | 6f |
7. | 1272 | Bettino Craxi | PSI | 2 |
8. | 1044 | Antonio Segni | DC | 2 |
9. | 1019 | Matteo Renzi | PD | 1 |
10. | 954 | Giuseppe Conte | parteilos | 2 |
11. | 925 | Mariano Rumor | DC | 5 |
12. | 700 | Giuliano Amato | PSIg, L’Ulivoh | 2 |
13. | 542 | Massimo D’Alema | DS | 2 |
14. | 527 | Emilio Colombo | DC | 1 |
15. | 523 | Mario Draghi | parteilos | 1 |
16. | 497 | Mario Scelba | DC | 1 |
17. | 487 | Giovanni Spadolini | PRI | 2 |
18. | 467 | Paolo Gentiloni | PD | 1 |
19. | 405 | Francesco Cossiga | DC | 2 |
20. | 401 | Ciriaco De Mita | DC | 1 |
21. | i | 400Mario Monti | parteilos | 1 |
22. | 396 | Adone Zoli | DC | 1 |
23. | 359 | Lamberto Dini | parteilos | 1 |
24. | 353 | Carlo Azeglio Ciampi | parteilos | 1 |
25. | j | 292Enrico Letta | PD | 1 |
26. | 285 | Giovanni Leone | DC | 2 |
27. | 227 | Giovanni Goria | DC | 1 |
28. | 220 | Arnaldo Forlani | DC | 1 |
29. | 141 | Giuseppe Pella | DC | 1 |
30. | 116 | Fernando Tambroni | DC | 1 |
31. | 554 | Giorgia Melonic | FDI | 1 |