RD-170

sowjetisches Raketentriebwerk

Das RD-170 (von russisch Реактивный двигатель, „Reaktiwny Dwigatel“) (GRAU-Index 11D521) ist ein Raketentriebwerk für Flüssigkeitsraketen. Es wurde vom sowjetischen Generalkonstrukteur für Raketenmotoren Walentin Petrowitsch Gluschko im Zeitraum zwischen 1976 und 1986 am Leningrader Gasdynamischen Laboratorium entwickelt (heute NPO Energomasch). Die vier Booster der Energija-Rakete wurden jeweils mit einem RD-170 angetrieben, das daraus abgeleitete RD-171 ist das Haupttriebwerk der Zenit-Rakete in der ersten Raketenstufe.[1] Das RD-170 ist bis heute das schubstärkste je geflogene Flüssigkeitsraketentriebwerk.

Modell eines RD-171 Triebwerks der Zenit-Rakete

Technik

Im Vordergrund das RD-180-Triebwerk einer Atlas V
RD-180-Triebwerk einer Atlas V beim Brenntest
Im Vordergrund die RD-181-Triebwerke einer Antares-Rakete

Das RD-170 wurde mit Kerosin und flüssigem Sauerstoff (LOX) betrieben und bestand aus vier Hauptbrennkammern, die sich eine Turbine mit etwa 190 MW Leistung und einen Pumpensatz teilten. Die zum Antrieb der Turbine erforderliche Energie wurde durch eine sauerstoffreiche Vorverbrennung in zwei Gasgeneratoren bzw. Vorbrennkammern bereitgestellt. Dazu wurde die gesamte Menge des Oxidators und ein geringer Teil des Brennstoffs zugeführt, welcher mit geringer Temperatur verbrannte und die Turbine antrieb. Das Abgas aus der Vorbrennkammer gelangte dann zu den Hauptbrennkammern, wo der Hauptteil des Brennstoffs zugeführt wurde und verbrannte. Durch diese Ausführung als sogenanntes Hauptstromtriebwerk mit einfacher Vorverbrennung (englisch oxidizer rich staged combustion cycle) ging dem Triebwerk auch bei dem hohen Brennkammerdruck von 25 MPa kein Treibstoff für den Antrieb der Pumpen verloren, was andernfalls zu beträchtlichen Verlusten geführt hätte. Gleichzeitig verbesserte die Vorwärmung des kryogenen Sauerstoffs in der Vorverbrennung den Wirkungsgrad der Verbrennung und verringerte die Gefahr von Instabilitäten bei der Verbrennung, die sonst zu Schwingungen führen könnten. Dennoch hatte das Triebwerk anfangs bei Tests mit Problemen zu kämpfen, da bei 25 MPa Druck und 400 °C Eintrittstemperatur in die Hauptbrennkammer eine sauerstoffreiche Atmosphäre schwierig zu beherrschen ist; die drei SSME-Triebwerke des Space Shuttles arbeiteten mit 22 MPa mit einer brennstoffreichen Vorverbrennung, das RD-253 operiert nur mit 15 MPa. Eine weitere Besonderheit des Triebwerks war, dass der Schub deutlich (je nach Quelle auf 40 % bzw. 56 % des Nominalwerts) gedrosselt werden konnte, um so vor Brennschluss die Beschleunigung und damit die Belastung für die Raketenstruktur zu senken.

Anders als bei der Sojus-Rakete konnte durch das Triebwerk auf zusätzliche Steuertriebwerke verzichtet werden, da beim RD-170 für die Energija die Düsen um eine Achse geschwenkt werden können. Das abgeleitete RD-171 (11D520) für die Zenit verfügt über eine Zweiachsensteuerung (im Einsatz bis 6,3°, in Tests über 8°) der Düsen für diesen Zweck.

Die vier Booster der Energija mit den RD-170-Triebwerken wurden wiederverwendbar ausgelegt und mit Fallschirmen ausgerüstet. Die Triebwerke sollten bis zu zehn Starts aushalten, wobei Tests zeigten, dass sie auch 20 Starts verkraften.

Manche Quellen beziffern das Triebwerk der Zenit-3SL als RD-173[2][3] mit einem auf 7.695 kN/8.338 kN gesteigerten Schub, wobei der Hersteller dieses als RD-171M bezeichnet.[4]

Als RD-180 (nur zwei Brennkammern, 25,7 MPa Brennkammerdruck und 4.159 kN Schub) wird das RD-170 Triebwerk an den US-amerikanischen Trägerraketen Atlas-III und Atlas V eingesetzt, als RD-191 (nur eine Brennkammer, 25,7 MPa Brennkammerdruck, 3.230 kg Masse und 2.079 kN Schub) an der Angara-Rakete.

Als RD-181 wird ein für die Antares-Rakete modifizierte Version des RD-191 bezeichnet.[5] Im Dezember 2014 wurde der Vertrag zur Lieferung von 60 Triebwerken unterschrieben.[6]

Unter der Bezeichnung RD-193 wurde eine Variante für Sojus 2.1 als Ersatz für die NK-33-Triebwerke entwickelt. Die Entwicklung wurde im August 2011 bekannt gegeben, Mitte 2012 erfolgen die ersten Tests und 2013 wurde bekannt gegeben, dass die Testserie abgeschlossen sei. Das Triebwerk sollte 760 mm kürzer und 300 kg leichter werden als das RD-191.[7]

Technische Daten

RD-170/RD-171RD-180RD-191RD-193[8]
Mischungsverhältnis LOX/Kerosin2,632,72≈2,6
Brennkammern4211
Gesamthöhe3,78 m3,00 m4,05 m3,02 m
Durchmesser4,02 m3,56 m2,00 m2,10 m
Trockenmasse9.500 kg (9.750 für RD-171)5.393 kg3.230 kg2.900 kg
Masse/Schub-Verhältnis (Boden/Vakuum)1,26/1,20 kg/kN
Brennkammerdurchmesser380 mm? mm? mm
Brennkammerdruck24,5 MPa25,7 MPa25,7 MPa
Düsenhalsdurchmesser235,5 mm? mm? mm
Düsenenddurchmesser≈1430 mm? mm? mm
Düsenenddruck0,072 MPa? MPa? MPa
Expansionsverhältnis36,8736,8737
Bodenschub/Vakuumschub7.550/7.900 kN3.828/4.152 kN1.985/2.079 kN?/2.085 kN
Spezifischer Impuls (Boden/Vakuum)3030/3315 Ns/kg3306 Ns/kg

Siehe auch

Rocketdyne F-1, Triebwerk für die erste Stufe der Saturn V

Weblinks

Commons: RD-170 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise