Roland Rainer
Roland Rainer (* 1. Mai 1910 in Klagenfurt; † 10. April 2004 in Wien) war ein österreichischer Architekt.
Leben
Nach Absolvierung der Bundes-Erziehungsanstalt Breitensee entschloss sich Rainer im Alter von 18 Jahren, Architekt zu werden, und studierte an der Technischen Hochschule in Wien. Nach Abschluss des Diplomstudiums befasste er sich in seiner 1935 approbierten Dissertation mit der Gestaltung des Wiener Karlsplatzes.[1] In der Folge ging er zeitweilig ins Ausland, in die Niederlande sowie zu Johannes Göderitz an die Deutsche Akademie für Städtebau Reichs- und Landesplanung in Berlin. Am 15. August 1938 beantragte Rainer in Berlin die Aufnahme in die NSDAP und wurde rückwirkend zum 1. Mai aufgenommen (Mitgliedsnummer 6.199.187),[2][3] er soll bereits seit März 1936 illegales NSDAP-Mitglied gewesen sein.[4] Der nationalsozialistischen Programmatik verpflichtet, zeigte er schon in der Kriegszeit sein lebenslanges Engagement für das Einfamilienhaus (gegenüber anderen, „kollektivistischeren“ Wohnformen) und rechtfertigte dies 1944, dem Zeitgeist entsprechend biologistisch, mit dem Argument, dass diese Wohnform überall dort vorherrsche, wo nach Gobineau die Fülle arischen Wesens konzentriert sei.[5] Rainer wollte später an diese Phase seines Schaffens nicht mehr erinnert werden.[6] 1945 wurde in Templin seine Tochter Eva Rubin geboren.[7][8][9][10]
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Rainer nach Österreich zurück, wo er seine bekanntesten theoretischen Arbeiten verfasste, darunter sein Werk Städtebauliche Prosa.[11] In seiner Autobiografie ließ Rainer seine 1944 für den Nationalsozialistischen Bund Deutscher Technik verfasste Schrift Die zweckmäßigste Hausform für Erweiterung, Neugründung und Wiederaufbau von Städten[12] unerwähnt und erklärte als seine erste Arbeit die 1947 erschienene Monografie Die Behausungsfrage.[13][3]
Mit Bescheid vom 13. Oktober 1947 wurde Rainer die Befugnis eines Architekten erteilt (Standort der Kanzlei: Markt Ysper 9, Niederösterreich).[14] Er wurde anschließend an mehrere Universitäten berufen, und zwar an die Technische Universität Berlin, die Technische Hochschule Braunschweig, das Technion in Haifa und die Technische Hochschule München. 1953 wurde er Ordinarius für Wohnungswesen, Städtebau und Landesplanung an der Technischen Hochschule Hannover. 1954 erhielt er den Lehrstuhl für Hochbau an der Technischen Hochschule Graz und pendelte daher ständig zwischen Graz und Hannover. Ab 1955 leitete er die Meisterschule für Architektur an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Zu seinen Schülern gehörten unter anderen Heinz Tesar, Carl Pruscha und Margarethe Heubacher-Sentobe.
Von 1956 bis 1962 entstand eines seiner bedeutendsten Werke, die Wiener Stadthalle. Am 1. Juli 1958 wurde Rainer vom Wiener Gemeinderat mit einer Bearbeitung des Flächenwidmungsplanes beauftragt. 1958 bis Ende 1962 wirkte er in der Nachfolge von Karl Heinrich Brunner als oberster Wiener Stadtplaner. 1962 entstand daher ein Planungskonzept Wien, von dem auch viele Vorschläge verwirklicht wurden. Es kam aber zu Konflikten zwischen Rainer und der Verwaltung, was seinen Rücktritt zur Folge hatte.[15]
Von 1980 bis 1986 stand er dem Denkmalbeirat des Bundesdenkmalamtes vor, und ab 1987 war er Vorsitzender der Kurie für Kunst des Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst. Er selbst erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Ehrenmitgliedschaften. Zudem war er Autor zahlreicher Bücher sowie unermüdlicher Kritiker von Bausünden und fortschreitender Umweltzerstörung.
Roland Rainer hatte drei Kinder.[16] Seine beiden Töchter Eva Rubin und Johanna Rainer[17] sind ebenfalls Architektinnen.
Rainer wurde im Familiengrab am Ober Sankt Veiter Friedhof bestattet. In Wien Rudolfsheim-Fünfhaus (15. Bezirk) wurde 2006 der Platz vor der Wiener Stadthalle Roland-Rainer-Platz nach ihm benannt.[3]
Werke
Foto | Baujahr | Name | Standort | Beschreibung |
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1949–1951 | Volksschule Basler Gasse | Basler Gasse 43 | ||
1951–1952 | Werksiedlung Mannersdorf | |||
1958 | Wiener Stadthalle | Roland-Rainer-Platz 1, 1150 Wien | ||
1959 | Stadthalle in Ternitz | Theodor Körner-Platz 2 | ||
1962–1964 | Flachbausiedlung Mauerberg | Rodaun, Wien | ||
1962–1963 | Glaubenskirche | Simmering, Wien | ||
1963–1968 (Bauteil 1), 1978–1979 (Bauteil 2), 1998–2000 (Bauteil 3) | Gartenstadt Puchenau | |||
1964 | Stadthalle Bremen Wikidata | Anmerkung: aufgrund der drastischen Veränderungen in Aussehen und Statik der Halle wurde von Roland Rainer eine weitere Nennung seines Namens als Architekt der Halle abgelehnt | ||
1965 | Friedrich-Ebert-Halle Wikidata | Ludwigshafen | ||
1965–1967 | Wohnhausanlage Rosa-Weber-Hof | |||
1968–1974 | ORF-Zentrum | Küniglberg, Wien | ||
1968–1970 | Wohnhaus Dr. Bösch | Weidlichgasse 17, Hietzing, Wien | ||
1969–1970 | Bernoulligymnasium | Donaustadt, Wien | ||
1971 | Vorstufengebäude Uni Klagenfurt | Universitätsstraße 65-67 | ||
1973–1974 | Stadthallenbad Wien | Hütteldorfer Straße 2H, 1150 Wien | Anmerkung: fertiggestellt zu den Schwimmeuropameisterschaften 1974 | |
1975–1976 | Pfarrkirche Puchenau | Gartenstadtstraße 1 | ||
1979–1981 | Neue Pfarrkirche Leonding | Stadtplatz | Anmerkung: gemeinsam mit Gottfried Nobl | |
1980–1982 | Bauteil in der Wohnsiedlung documenta urbana Wikidata | Hermann-Mattern-Str. 1–5 + 35, 37, Kassel | Anmerkung: städtebauliche Planung documenta urbana (1979 gemeinsam mit anderen) | |
1982–1983 | Expositurkirche Langenzersdorf-Dirnelwiese | Krottendorfer Straße 46-50 | ||
1992 | Gartensiedlung Tamariskengasse | Tamariskengasse 102, Wien 22 | ||
1996–1997 | Versöhnungskirche | Linz Dornach | ||
1992–1997 | Akademiehof | Getreidemarkt 2-4, 1010 Wien | Anmerkung: mit Gustav Peichl | |
1992 | solarCity Linz Masterplan |
Auszeichnungen
- 1954: Preis der Stadt Wien für Architektur
- 1962: Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse[18]
- 1962: Großer Österreichischer Staatspreis für Architektur
- 1969: Österreichischer Bauherrenpreis 1969 für die Siedlung Puchenau in Linz
- 1973: Ehrenmitglied („Honorary Fellow“) des American Institute of Architects
- 1979: Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst
- 1980: Kardinal-Innitzer-Preis
- 1981: Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold
- 1982: Ehrendoktorat der Technischen Universität Wien[19]
- 1985: Ehrenring der Stadt Wien
- 1990: Bürger ehrenhalber der Stadt Wien
- 1996: Ehrendoktor der TU Berlin
- 2000: Großes Goldenes Ehrenzeichen mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich[20]
- 2006: Österreichischer Bauherrenpreis 2006 für die Gartenstadt Roland-Rainer-Siedlung in St. Pölten posthum
Schüler
Ausstellung
- Roland Rainer. (Un)Umstritten – Neue Erkenntnisse zum Werk (1936–1963). Ausstellung im Architekturzentrum Wien, 20. Oktober 2018 – 7. Januar 2019, kuratiert von Ingrid Holzschuh, Waltraud P. Indrist und Monika Platzer
Symposien
- Roland Rainer im Kontext. Im Rahmen der Ausstellung „Roland Rainer. (Un)Umstritten. Neue Erkenntnisse zum Werk (1936–1963)“, Architekturzentrum Wien, 20. Oktober 2018, Konzept von Ingrid Holzschuh und Monika Platzer
Veröffentlichungen
- Einen ausführlichen Überblick über Roland Rainers Publikationen in der NS-Zeit gibt der Artikel von Franz Untersmayr in der Wiener Zeitschrift FORVM, siehe unten in den Einzelnachweisen.
- Die gegliederte und aufgelockerte Stadt. Gemeinsam mit Johannes Göderitz und Hubert Hoffmann, Berlin 1945.
- Ebenerdige Wohnhäuser. Berglandverlag, Wien 1948.
- Die gegliederte und aufgelockerte Stadt. Gemeinsam mit Johannes Göderitz und Hubert Hoffmann, Tübingen 1957.
- Lebensgerechtes Bauen. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1978.
- Bauen und Architektur. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1980.
- Gärten. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1982.
Literatur
- August Sarnitz (Hrsg.): Drei Wiener Architekten: Wilhelm Holzbauer, Gustav Peichl, Roland Rainer. Katalog zur Ausstellung: Three Viennese architects, 2., korr. Aufl. Edition Tusch, Wien 1984, ISBN 3-85063-148-6.
- Christoph Gunßer (Hrsg.): Energiesparsiedlungen. Konzepte – Techniken – Realisierte Beispiele. Callwey, München 2000, S. 159.[21]
- Waltraud P. Indrist: Roland Rainer und die Drehscheibe Hannover. Kontinuitäten von NS-Netzwerken in Nordwestdeutschland nach 1945, In: Wissenschaftliche Gesellschaft zum Studium Niedersachsens e.V. (Hrsg.), Neues Archiv für Niedersachsen – Zeitschrift für Stadt-, Regional- und Landesentwicklung, Bd. 1: Kontinuitäten und Neuorientierungen – Personelle Netzwerke niedersächsischer Raumwissenschaftler nach 1945, Wachholtz, Kiel, Januar 2021, S. 176–201.[22]
- Monika Platzer: Politisches über zwei „unpolitische“ Architekten. Roland Rainer und Karl Schwanzer im Nationalsozialismus. In: kritische berichte. Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften, Bd. 49 (2021), Heft 3.
Weblinks
- Literatur von und über Roland Rainer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Roland Rainer auf nextroom.at
- Eintrag zu Roland Rainer im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
- Roland Rainer. In: archINFORM.
- Roland Rainer im O-Ton im Onlinearchiv der Österreichischen Mediathek
Einzelnachweise
Personendaten | |
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NAME | Rainer, Roland |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Architekt |
GEBURTSDATUM | 1. Mai 1910 |
GEBURTSORT | Klagenfurt |
STERBEDATUM | 10. April 2004 |
STERBEORT | Wien |