Kevin Russell

englischer Sänger

Kevin Richard Russell (* 12. Januar 1964 in Hamburg) ist ein britischer[1] Sänger. Bekannt wurde er als Leadsänger der deutschen Rockband Böhse Onkelz, der er von 1980 bis 2005 angehörte und nach der Reunion der Band seit 2014 wieder angehört. Ebenso ist er Leadsänger und Songwriter der 2012 gegründeten Band Veritas Maximus.

Kevin Russell (2019)

Leben

Kevin Russell (2007)

Familie

Kevin Richard Russell wuchs als jüngstes von drei Kindern (eine Schwester und ein Bruder) auf. Sein britischer Vater arbeitete zu dieser Zeit als Pilot bei der Lufthansa, seine Mutter kam aus Hamburg. Laut Russell war sie alkoholsüchtig, was sich negativ auf die Familienverhältnisse ausgewirkt habe.[2] Sie verstarb 2013.[1]

Tatsächlich besitzt Russell keine deutsche Staatsangehörigkeit, sondern nur einen britischen Pass. Laut eigenen Angaben wird ihm die Staatsangehörigkeit auf Grund seiner Vorstrafen verweigert.[1]

Russell besuchte zeitweise die Realschule, verließ diese ohne Abschluss und versuchte schließlich über ein Berufsgrundschuljahr in einer Elektrofachschule, den Hauptschulabschluss zu erlangen.

1977 zogen er und seine Familie von Hamburg nach Hösbach. Dort lernte er Peter Schorowsky und Stephan Weidner kennen, mit denen er später die Rockband Böhse Onkelz gründen sollte. 1983 begann er eine Ausbildung zum Schiffsmechaniker, die er nicht abschloss. Ab 1986 arbeitete er als Tätowierer, 2000 wurde sein Sohn geboren.[3]

Im Jahre 1990 starb sein bester Freund Andreas „Trimmi“ Trimborn nach einer Messerstecherei in einer Kneipe in den Armen von Russell.[4] Die Böhsen Onkelz widmeten dem Gestorbenen später unter anderem das Lied Nur die Besten sterben jung.

Am 27. Juni 2015, nur wenige Stunden vor dem Beginn eines Konzerts am Hockenheimring, heiratete Russell seine langjährige Freundin Simone.[5]

Drogenprobleme

Russell litt viele Jahre an Drogen- und Alkoholproblemen. Diese Problematik wurde auch in einigen Liedern wie z. B. Hast du Sehnsucht nach der Nadel, H oder Leiden und auch in der offiziellen Biographie thematisiert. Im Januar 2006 wurde Russell in der Mainzer Uniklinik stationär behandelt; von der Band wurde als Grund dafür ein schwerer Drogenrückfall genannt. Es kam zu einem bakteriellen Infekt, weshalb er sich einer Gehirnoperation unterziehen musste und zeitweise im künstlichen Koma lag. Nach eigenen Angaben trank er häufig täglich „viereinhalb Liter Jägermeister“ und konsumierte bis zu „20 Gramm 70-prozentiges Kokain“.[6]

Erster schwerer Verkehrsunfall

Am 16. November 2000 hatte Russell einen schweren Autounfall, als er abends um 21:30 Uhr im Taunus bei regennasser Fahrbahn in einer scharfen Haarnadelkurve mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit zwei andere Autos überholte, dabei die Kontrolle über sein Gefährt verlor und eine Böschung hinabstürzte. Anschließend musste die Feuerwehr den Verunglückten aus seinem zerstörten Fahrzeug herausschneiden. Russell erlitt bei dem Unfall einen Oberschenkelhalsbruch, eine Platzwunde am Kopf, ein Schleudertrauma und eine schwere Gehirnerschütterung. Wegen des Unfalls und der folgenden Reha-Zeit des Onkelz-Sängers musste das ursprünglich für den Herbst 2000 festgelegte Jubiläumskonzert 20 Jahre Böhse Onkelz auf den 3. März 2001 verschoben werden, das schließlich nicht wie geplant in der Ballsporthalle, sondern in der Festhalle in Frankfurt am Main stattfand. Sänger Kevin Russell konnte das Jubiläumskonzert nur mithilfe von starken Schmerzmitteln und im Gehen beeinträchtigt absolvieren.[7][8] Ausgelöst durch die Einnahme der verschreibungspflichtigen Schmerzmittel, begann Russell erneut Heroin und Kokain zu konsumieren.[9]

Zweiter schwerer Verkehrsunfall

Am Silvesterabend 2009 verursachte Kevin Russell unter Drogeneinfluss mit 232 km/h[10] in einem Audi R8 auf der A 66 bei Frankfurt am Main einen Verkehrsunfall mit zwei männlichen Schwerverletzten und beging anschließend zu Fuß Unfallflucht. Am 1. Juli 2010 wurde Anklage gegen Russell erhoben.[11] Am 4. Oktober 2010 wurde er vom Landgericht Frankfurt am Main wegen fahrlässiger Körperverletzung, Gefährdung des Straßenverkehrs sowie Unfallflucht zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.[12] Die Fahrerlaubnis wurde ihm für vier Jahre entzogen.[13] Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Nebenklagevertreter leiteten beim Bundesgerichtshof (BGH) Revision gegen das Urteil ein; die Staatsanwaltschaft zog ihren Revisionsantrag später zurück. Mit Beschluss vom 7. März 2011 verwarf der BGH Russells Revisionsantrag, womit er die Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten antreten musste.[14] Ein entsprechender Befehl zum Haftantritt im Mai 2011 wurde ihm zugestellt, jedoch trat er diese nicht an. Russells Anwalt setzte am 24. Juni 2011 Rechtsmittel ein, um ihn aufgrund seiner Gesundheitssituation als haftunfähig einzustufen.[15] Der 3. Strafsenat lehnte am 11. Juli 2011 den Antrag auf Haftaufschub ab. Die Richter argumentierten, dass Russell sogar eine verbesserte Behandlung erhalten werde, da aufgrund der permanenten Überwachung in Haft sogar schneller als in Freiheit medizinisch reagiert werden könne.[16]

Die beiden Insassen des bei dem Unfall zerstörten und in Brand geratenen Opels schwebten danach zeitweise in Lebensgefahr und erlitten beide schwere bleibende Schäden und Traumatisierungen: Der 20-jährige Fahrer trug unter anderem Verbrennungen, eine Leberblutung, eine Milzruptur, eine Nierenverletzung sowie ein Schädel-Hirn-Trauma mit anhaltenden Gedächtnisstörungen davon. Der 22-jährige Beifahrer erlitt unter anderem Verbrennungen, die sein Gesicht teilweise entstellt haben, außerdem mussten ihm drei Finger amputiert werden.[17][18][19][20] Es wurde berichtet, dass Russell während der Gerichtsverhandlungen gelacht und Grimassen geschnitten haben soll, die als Verhöhnung der Opfer interpretiert wurden.[21] Im November 2012 wurde ein handschriftlicher Brief Russells veröffentlicht, in dem er unter anderem den Unfallopfern sein Bedauern ausdrückt.[22]

Im August 2011 trat Russell seine Haftstrafe an und wurde wegen seines Gesundheitszustandes umgehend ins Gefängniskrankenhaus verlegt.[23] Im Dezember 2011 verließ er das Gefängnis und ging in eine Therapieeinrichtung, die die Justiz regelmäßig über den Verlauf der Therapie informierte.[24]

Sonstiges

Die Tattoo-Illustration auf dem Cover des 1992er Albums The Madman’s Return des Eurodance- und Trance-Projektes Snap! stammt von ihm.[25]

Russell ist passionierter Leser und besitzt eine Heimbibliothek mit über 4.000 Büchern. Dabei nimmt Literatur über das Thema Geschichte, etwa über die Antike, einen Großteil seiner Bibliothek ein. Das erste Buch, das Russell las, war der Roman James und der Riesenpfirsich des britischen Schriftstellers Roald Dahl.[26]

Musikalische Karriere

Kevin Russell (2015)

Böhse Onkelz

1980 gründete er zusammen mit Stephan Weidner und Peter Schorowsky die Rockband Böhse Onkelz. Er war von Gründung bis zur Auflösung 2005 und ist seit der Neugründung 2014 Leadsänger der Band.

Solo-Karriere

Nach dem vorläufigen Ende der Böhsen Onkelz im Jahre 2005 hätte Kevin Russell der Sänger eines Bandprojekts namens Puritanzz and Pioneers mit Matthias „Gonzo“ Röhr als Gitarrist und Jason Newsted als Bassist werden sollen. Die dahingehenden Pläne scheiterten jedoch an der Absage von Kevin Russell in Bezug auf das Projekt.[27]

In dem am 15. Mai 2006 von der Band Nordend Antistars veröffentlichten Stück Unser Stadion – unsere Regeln ist Russell erstmals seit seinem Koma als Backgroundsänger zu hören.

Eigentlich sollte Russell auch einen Song der Band Eschenbach, produziert von Stephan Weidner, einspielen. Jedoch entschied sich die Band kurz nach der Ankündigung wieder dagegen, da sie nicht wollte, dass die Platte nur deswegen gekauft wird. Letztendlich wurde der Song von Stephan Weidner eingespielt.

Am 15. August 2009 stand Russell bei Outer Limits, einem Festival in Hofheim in Unterfranken, zusammen mit der Coverband KOMA für einige Songs auf der Bühne. Das war das zweite Mal seit der Auflösung der Böhsen Onkelz, nach seinem Auftritt beim Festival Onkelz Non Stop in Geiselwind im Juni 2009, dass Russell Lieder seiner eigenen Band auf einer Bühne vortrug.

Am 21. Dezember 2012 gab Russell auf seiner Website bekannt, dass er wieder auf die Bühne wolle.[28] Sein erstes Solo-Konzert fand am 9. März 2013 in Geiselwind statt.[29]

Veritas Maximus

Seit 2012 ist Russell Sänger der Band Veritas Maximus. Das erste Album namens Glaube und Wille erschien am 30. Mai 2014 und stieg auf Platz 5 der deutschen Charts ein.[30][31] Der Name der Band kommt aus dem Lateinischen und soll „die höchste Wahrheit“ bedeuten, ist aber grammatikalisch unkorrekt und müsste eigentlich veritas maxima heißen.

Biografie

Am 26. Oktober 2023 veröffentlichte Russell seine Autobiografie Circus Maximus im Eigenverlag.[32][33]

Werke

  • Circus Maximus. Eigenverlag 2023. Ohne ISBN.

Diskografie

Chart­plat­zie­rungen
Erklärung der Daten
Alben[34]
Glaube und Wille (mit Veritas Maximus)
 DE513.06.2014(8 Wo.)
 AT1313.06.2014(3 Wo.)
 CH2908.06.2014(1 Wo.)

Böhse Onkelz

Veritas Maximus

Weblinks

Commons: Kevin Russell – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise