Betacoronavirus

Gattung der Familie Coronaviridae

Betacoronaviren sind eine von vier Gattungen von Coronaviren der Unterfamilie Orthocoronavirinae in der Familie Coronaviridae der Ordnung Nidovirales. In der älteren Literatur wird diese Gattung auch als Gruppe-2-Coronaviren bezeichnet. Es sind umhüllte einzelsträngige RNA-Viren mit positiver Polarität und zoonotischem Ursprung.

Betacoronavirus

MERS-CoV (elektronenmikroskopisches Bild)

Systematik
Klassifikation:Viren
Realm:Riboviria[2]
Reich:Orthornavirae[1]
Phylum:Pisuviricota[1]
Klasse:Pisoniviricetes[1]
Ordnung:Nidovirales
Unterordnung:Cornidovirineae[1]
Familie:Coronaviridae
Unterfamilie:Orthocoronavirinae
Gattung:Betacoronavirus
Taxonomische Merkmale
Genom:(+)ssRNA linear
Baltimore:Gruppe 4
Symmetrie:helikal
Hülle:vorhanden
Wissenschaftlicher Name
Betacoronavirus
Kurzbezeichnung
Beta-CoV, BetaCoV
Links

Die Coronavirus-Gattungen setzen sich jeweils aus verschiedenen viralen „Linien“ (englisch lineage ‚Abstammungslinie‘) zusammen, wobei die Gattung Betacoronavirus vier solcher Linien enthält (Stand 2001), die mittlerweile als vier Untergattungen plus eine weitere Untergattung klassifiziert werden.[3] Neben Alphacoronavirus sind sie die einzige Gattung, die in Fledermausarten gefunden wurde (Stand 2019).[4]

Die Typusart der Gattung ist Murine coronavirus (dt. Maus-Coronavirus),[5] zu der etwa die Unterart Ratten-Coronavirus gehört. Die Betacoronaviren mit der größten klinischen Bedeutung für den Menschen sinddas Humane Coronavirus OC43 unddas Humane Coronavirus HKU1der A-Linie (Untergattung Embecovirus),SARS-CoV-1[6]undSARS-CoV-2 (alias 2019-nCoV) der B-Linie (Untergattung Sarbecovirus)und MERS-CoV der C-Linie (Untergattung Merbecovirus).

Vorkommen

Im Hinblick auf die Evolution der Coronaviren lässt sich zeigen, dass die Gattungen Alphacoronavirus und Betacoronavirus aus dem Genpool von Fledermäusen stammen. Vertreter beider Gattungen sind in der Lage, den Menschen zu infizieren.[7][8][9]

Fledermausarten aus der Familie der Glattnasen (Vespertilionidae) sind Wirtstiere von Betacoronaviren,[3] beispielsweise die folgenden Arten:[3][10]

Außerdem:

Arten aus der Familie der Hufeisennasen (Rhinolophidae) sind ebenfalls Wirtstiere für Betacoronaviren,[3] beispielsweise die folgenden Arten[10][12]

Weitere Wirtstiere von Betacoronaviren sind unter den Säugetieren u. a.:[9][10]

  • Virenspezies Betacoronavirus 1:
  • Rinder (Bovines Coronavirus [BCoV]),
  • Hunde (Canines respiratorisches Coronavirus [CRCoV]),
  • Pferde (Equines Coronavirus [ECoV]),
  • Schweine (Porzines hämagglutinierendes Enzephalitis-Virus [PHEV]),
  • Larvenroller (Larvenroller-SARS-Coronavirus PC4-13 [Civet-SARS-CoV-PC4-13] und Larvenroller-SARS-Coronavirus SZ3 [Civet-SARS-CoV-SZ3]),
  • Schuppentiere (Schuppentier-Coronavirus [Manis-CoV])[15]

Wirtstiere anderer Wirbeltier-Klassen sind nachweislich:

Replikationszyklus von typischen Vertretern der Gattung Betacoronavirus

Molekulargenetik

Schematischer Aufbau des Virions (Viruspartikel) eines Coronavirus, die verwendeten englischen Begriffe finden sich im Text.
Das von der Fledermaus übertragene Coronavirus HKU4

Das einzelsträngige RNA-Genom der Betacoronaviren ist etwa 29.000 bis 31.100 Nukleotide (nt) lang.[10] Die komplette RNA-Sequenzanalyse mittels Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR) von drei bei Fledermäusen isolierten Betacoronaviren (HKU4, HKU5 und HKU9) ergibt eine Genomgröße von 29.017 bis 30.488 Nukleotiden, der GC-Gehalt (der Anteil der Nukleinbasen Guanin und Cytosin) liegt zwischen 38 und 41 Mol-Prozent. Die Reihenfolge der Gene entspricht weitgehend der von anderen Coronaviren: Am 5′-Ende finden sich die beiden Offenen Leserahmen ORF 1a und ORF 1b, die den größten Teil des Genoms (20.800 bis 21.000 nt) ausmachen und für die Nichtstrukturproteine (NSP) 1a und 1b codieren. Dann folgen die Gene, die für die Hämagglutinin-Esterase (HE), die Spikes (S), Virushülle (E für englisch envelope ‚Hülle‘), Matrixproteine (M) und Nukleokapsid (N) codieren. Sowohl am 5′-Ende wie am 3′-Ende finden sich kurze, nichtcodierende Regionen (UTR, engl. untranslated region). Das HE-Gen kommt nur bei den Betacoronaviren vor.[8]

Die Offenen Leserahmen (ORF) codieren für mehrere putative (vermutete) Proteine, darunter

Dabei entstehen die Nichtstrukturproteine durch spezifische proteolytische Spaltung durch die PLPro und 3CLPro aus einem zunächst erzeugten Replikase-Polyprotein 1ab.[8]

Da Betacoronaviren verschiedenen Wirte haben und Teile ihres Genoms rekombiniert werden, stellen sie eine potentielle Gefahr für die menschliche Gesundheit dar. So zeigte ein genetischer Vergleich eines im Jahr 2012 aus menschlichem Sputum isolierten Betacoronvirus mit Beta-CoV, die bei Fledermäusen auftreten, eine Übereinstimmung der Nukleotidsequenzen von 82,0 % – 87,7 %.[3]

Systematik

Phylogenetischer Baum, die Verhältnisse innerhalb der Gattung Betacoronavirus zeigend.
Kladogramm basierend auf der phylogenetischen Analyse der Virus-Genome von repräsentativen Virus-Isolaten der Gattung Betacoronavirus (Stand 2020)


  Sarbecovirus 

  Klade 3 




SARS-CoV-1[6] (mehrere Isolate; 2003–2005)


   

Coronavirus BtRs-BetaCoV/GX2013 (2016)



   

Coronavirus BtRl-BetaCoV (2018)



   

Bat coronavirus (Isolat BtCoV/279/2005; 2006)



   



Bat SARS coronavirus HKU3-12 (2010)


   

Bat SARS coronavirus HKU3-3 (2005)



   

Bat SARS coronavirus HKU3-7 (2010)



   

Bat SARS-like coronavirus (Isolat Longquan-140; 2013)




  Klade 2 

SARS-CoV-2 (veraltet 2019-nCoV, mehrere Isolate; 2020)


   

Bat SARS-like coronavirus (Isolat bat-SL-CoVZC45; 2018)


   

Bat SARS-like coronavirus (Isolat bat-SL-CoVZXC21; 2018)





  Klade 1 

SARS-related coronavirus (strain BtKY72; 2019)


   

Bat coronavirus BM48-31/BGR/2008 (2010)




  Hibecovirus 

Bat Hp-betacoronavirus/Zhejiang2013 (Hp = Hipposideros pratti; 2016)



  Nobecovirus 

Rousettus bat coronavirus (Isolat GCCDC1 356; 2016)


   

Bat coronavirus HKU9-1 (Rousettus-Fledermaus-Coronavirus HKU9, Ro-BatCoV-HKU9; 2007)




  Merbecovirus 



Bat coronavirus HKU5-1 (Pipistrellus-Fledermaus-Coronavirus HKU5, Pi-BatCoV-HKU5; 2007)


   

Bat coronavirus HKU4-1 (Tylonycteris-Fledermaus-Coronavirus HKU4, Ty-BatCoV-HKU4; 2007)



   

Humanes Coronavirus EMC (Humanes Betacoronavirus 2c EMC/2012, MERS-CoV; 2012)



   

Betacoronavirus Erinaceus/VMC/DEU/2012 (2014)



  Embecovirus 
   

Humanes Coronavirus OC43 (HCoV-OC43; 2003)


   

Betacoronavirus HKU24 (strain HKU24-R05010I; 2015)



   

Murines Coronavirus (Murines Hepatitis-Virus, MHV-1; 2006)


   

Humanes Coronavirus HKU1 (HCoV-HKU1; 2004)




Vorlage:Klade/Wartung/3Vorlage:Klade/Wartung/Style
Der obere Teil der Klade 3 ist aufgrund der Vorlagen-Beschränkung vereinfacht. Zur Virustaxonomie: englisch bat ‚Fledermaus‘; SARS-related coronavirus (englisch) = SARS-assoziiertes Coronavirus (dt.) = SARS-like coronavirus (englisch) = SARS virus (englisch) = SARS coronavirus (englisch), es handelt sich jeweils um heterotypische Synonyme;[16] SARS = Severe acute respiratory syndrome (englisch) = Schweres Akutes Atemwegssyndrom (dt.); die Angabe der Jahreszahl in der Klammer bezieht sich auf die Veröffentlichung der Genomanalysen, sie sind in der NCBI GenBank abrufbar.
nach R. Lu et al. (2020)[17], ergänzende Angaben nach J. F.-W. Chan et al. (2020)[18]

Innerhalb der Gattung Betacoronavirus (früher als Gruppe-2-Coronaviren bezeichnet) wurden durch phylogenetische Untersuchungen vier Untergruppen (engl. lineage ‚Abstammungslinie‘) identifiziert, die mit Buchstaben (A, B, C und D bzw. a, b, c und d), griechischen Buchstaben (α, β, γ und δ) und manchmal auch mit Zahlen gekennzeichnet werden.[3][8] Im Jahr 2018 wurden diese Untergruppen als Untergattungen klassifiziert, sowie eine fünfte Untergattung (Subgenus) Hibecovirus definiert.[19][20]

  • Lineage A → Subgenus Embecovirus
  • Lineage B → Subgenus Sarbecovirus
  • Lineage C → Subgenus Merbecovirus
  • Lineage D → Subgenus Nobecovirus
  • Subgenus Hibecovirus

Durch die zunehmende Anzahl von Genomanalysen, die in Datenbanken veröffentlicht werden, ist es möglich, eine phylogenetische Systematik zu erstellen. Im Zusammenhang mit dem Auftreten des „neuartigen Coronavirus von 2019“ (2019-nCoV, neuere Bezeichnung: SARS-CoV-2) haben mehrere Gruppen von Wissenschaftlern die Ergebnisse ihrer phylogenetischen Untersuchungen veröffentlicht. Die evolutionären Beziehungen zwischen den Vertretern der Betacoronaviren werden dabei auch als phylogenetischer Baum veranschaulicht,[17][18] darauf basiert die Darstellung in diesem Artikel. Die Genomsequenzen sind unter anderem in der GenBank des Nationalen Zentrums für Biotechnologieinformation (NCBI) verfügbar.[21]

Medizinische Bedeutung

Mehrere Vertreter der Gattung Betacoronavirus sind in der Lage, den Menschen zu infizieren.[7][9] Beta-CoV, die an Epidemien beteiligt waren, verursachen oftmals Fieber und Atemwegsinfektionen. Bekannte Beispiele sind:

Einzelnachweise