Resiniferatoxin

chemische Verbindung

Resiniferatoxin (abgekürzt RTX) ist ein Naturstoff, der sich in Euphorbia resinifera (auch Maghrebinische Säulenwolfsmilch oder Vierkantige Euphorbie genannt) findet. Dies ist eine Art aus der Familie der Wolfsmilchgewächse. Die Pflanze wächst in Marokko an den Hängen des Atlas. Der Milchsaft dieser Pflanze enthält eine hohe Konzentration von Resiniferatoxin.[3] Es ist ein stark hautreizender Diterpen-Ester aus der Daphnan-Gruppe.[2]

Strukturformel
Strukturformel von Resiniferatoxin
Allgemeines
FreinameResiniferatoxin
Andere Namen
  • [(1R,6R,13R,15R,17R)-13-Benzyl-6-hydroxy-4,17-dimethyl-5-oxo-15-(prop-1-en-2-yl)-12,14,18-trioxapentacyclo­[11.4.1.01,10.02,6.011,15]octadeca-3,8-dien-8-yl]methyl 2-(4-hydroxy-3-methoxyphenyl)acetat (IUPAC)
SummenformelC37H40O9
Kurzbeschreibung

weißer Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer57444-62-9
PubChem104826
ChemSpider21106474
DrugBankDB06515
WikidataQ3277888
Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

TRPV1-Agonist

Eigenschaften
Molare Masse628,71 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,35 g·cm−3[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]
GefahrensymbolGefahrensymbol

Gefahr

H- und P-SätzeH: 301​‐​314
P: 260​‐​280​‐​301+310+330​‐​301+330+331​‐​303+361+353​‐​305+351+338[1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Biologische Aktivität

Euphorbia resinifera

Resiniferatoxin ist im Geschmack 500- bis 1000-mal schärfer als Capsaicin, das in Paprika- oder Chilischoten enthalten ist.[4] Resiniferatoxin gilt als die schärfste Chemikalie der Welt, auf der Scoville-Skala besitzt es einen Wert von 16 Milliarden.[5]

Bereits in sehr geringen Konzentrationen verursacht der Kontakt mit Resiniferatoxin sofort starke brennende Schmerzen. Bei der Aufnahme kommt es bei Säugetieren zu neurogenen Entzündungen und Hypothermie, wobei in Experimenten mit Ratten ein Temperaturverlust von 2–3 K innerhalb einer Stunde festgestellt wurde. Im Anschluss erfolgt der Verlust der körpereigenen Thermoregulation sowie eine Desensibilisierung gegenüber neurogenen Entzündungen. Es tritt chemische und thermische Analgesie ein.[6]

Die Toxizität von Resiniferatoxin beruht auf der spezifischen Stimulation sensorischer Rezeptoren in den Ganglien, insbesondere der Wärmerezeptoren.[7] Die Anregung der für die Wahrnehmung von Schmerz verantwortlichen sensorischen Neuronen erfolgt zellselektiv über die Aktivierung des transienten Rezeptor-Proteins TRPV1. Dieses Vanilloid-Rezeptorprotein stellt einen Ionenkanal in der Plasmamembran der Neuronen dar, welcher durch die Stimulation mit Resiniferatoxin für Calcium-Ionen durchlässig wird. Durch die Wanderung der Ionen erfolgt eine vermehrte intrazelluläre Akkumulation der Calcium-Ionen, was wiederum zu der Depolarisierung der Zellmembran führt und anschließend die Löschung der Neuronen zur Folge hat.[8] Der LD50-Wert wurde für Ratten bei oraler Aufnahme zu 148,1 mg pro Kilogramm Körpergewicht festgestellt. Hochgerechnet auf den Menschen[9] verursacht die Aufnahme von ca. 1,5 g Resiniferatoxin sehr wahrscheinlich schwere gesundheitliche Schäden oder führt zum Tode, da durch die Überstimulation der Neuronen die Nervenenden im Körper irreversibel beschädigt werden.

Verwendung

Resiniferatoxin ist kein zugelassenes Arzneimittel. Es wird für die Anwendung zur intravesikalen Behandlung der interstitiellen Zystitis, einer chronischen und sehr schmerzhaften Entzündung der Blasenwand (Blasenschmerzsyndrom, englisch bladder pain syndrome, BPS), erforscht.[10][11]

Die Autoren eines 2022 veröffentlichten Review-Artikels kommen zu dem Ergebnis, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass Injektionen von Resiniferatoxin die Symptome bei interstitieller Zystitis verbessern können.[12]

Außerdem wird eine Verwendung als Schmerzmittel, vor allem bei chronischen Krankheiten erforscht. Hierbei wird die Wirkung von Resiniferatoxin auf Nervenzellen ausgenutzt, besonders die Fähigkeit, selektiv Nervenzellen bis zu ihrer irreversiblen Zerstörung zu schädigen, ist für die Behandlung von chronischen Schmerzen hoch interessant. Durch die Zerstörung von Nervenzellen im Applikationsbereich kommt es zu einer selektiven Desensibilisierung und Schmerzlinderung in den betreffenden Bereichen.[13][14]Resiniferatoxin wird dabei als mögliche Alternative für beispielsweise Opioide in der Langzeit-Schmerzbehandlung gesehen. Als Vorteil gilt eine für den Patienten spezifische Behandlung seiner Beschwerden aufgrund der selektiven Wirkung und Verabreichung von Resiniferatoxin gegenüber anderen Schmerzmedikamenten.

Die selektive Wirkung von Resiniferatoxin beruht auf der sehr spezifischen Beeinflussung von Nervenzellen, wobei lediglich Zellen mit den TRPV1-Rezeptoren absterben beziehungsweise beeinflusst werden und die restlichen Nervenzellen intakt bleiben. Aufgrund dieser sehr spezifischen Wirkung wird Resiniferatoxin auch als Molekulares Skalpell bezeichnet.[15][16][17]

Die Verabreichung von Resiniferatoxin kann über Injektionen in die Ganglien nahe der Wirbelsäule erfolgen, wobei die Dosis und der Verabreichungsort auf den Patienten angepasst werden können. Hier scheint die Dosis und der Verabreichungsort großen Einfluss auf den Erfolg der Therapie zu haben. Die Wirkung von Resiniferatoxin reicht von einer teilweise reversiblen Desensibilisierung bis zu einem permanenten erheblichen Schmerzlinderung in der betroffenen Region, in Abhängigkeit von der verabreichten Dosis. Hierdurch könnte sich ein breites Anwendungsspektrum ergeben, einerseits für Patienten mit vorübergehenden oder chronischen Schmerzen und andererseits für schwerkranke Patienten mit einer limitierten Lebenserwartung.[13][14][18]

Die Verabreichung erfolgt unter Narkose, da die Verabreichung sehr schmerzhaft ist, bevor die Nervenzellen absterben und keine weiteren Signale mehr weiterleiten können. Weiterhin ist zu beachten, dass Resiniferatoxin nicht alle Schmerzen unterdrückt, so bleiben Schmerzen als Folge mechanischer Reize erhalten. Außerdem birgt die Verabreichung von Resiniferatoxin unter anderem die Nebenwirkung, dass das allgemeine Hitzeempfinden geschwächt oder verloren wird. Daher wird Resiniferatoxin bisher nur lokal verabreicht, um diese Nebenwirkung nur auf den Applikationsbereich zu beschränken.[16][17][18]

Totalsynthese

Eine [5+2]-Oxidopyrilium-Cycloaddition, welche als Hauptschritt in der Totalsynthese von RTX Anwendung findet. Verbindung 1 wird mittels dieser zu Verbindung 2 umgesetzt, wobei zwei der drei Ringe des Daphnangrundgerüsts entstehen.

Die erste asymmetrische Totalsynthese von (+)-Resiniferatoxin gelang der Arbeitsgruppe von Paul Wender an der Stanford University im Jahre 1997. Der Aufbau des aliphatischen, trizyklischen Daphnan-Gerüsts stellte hierbei die größte Herausforderung dar. Der Hauptschritt der Synthese kann in der Abbildung betrachtet werden. Verbindung 2 wird in einem Schritt aus Verbindung 1 erhalten, wobei die Ringe B und C gebildet werden und die korrekte Sterik an den asymmetrisch substituierten Kohlenstoffatomen C8 und C9 erhalten wird. Die verwendete Reaktion war hierbei eine Oxidopyrilium-Cycloaddition, welche sich, im Gegensatz zur Diels-Alder-Reaktion, nicht als [4+2]-, sondern als [5+2]-Addition darstellt. Der Ring A wurde dann, über mehrere Schritte, mittels der funktionellen Gruppen des Enons addiert. Hierdurch konnte das Daphnan-Grundgerüst erhalten werden. Die Totalsynthese beinhaltet 44 einzelne Schritte.[19]

Die aktuellste Totalsynthese von RTX wurde 2022 veröffentlicht. Hierbei werden nur 15 Schritte benötigt.[20]

Einzelnachweise